Reform gegen drohende Auflösung Russische NGO beugt sich dem Druck
23.11.2014, 02:57 Uhr
Memorial hofft, mit der Reform die drohende Auflösung abzuhalten.
(Foto: REUTERS)
Die wichtigste russische Menschenrechtsorganisation Memorial führt eine umfassende Strukturreform durch. Damit will die NGO einer gerichtlichen Entscheidung im nächsten Monat vorweg greifen- und spielt Moskau direkt in die Hände.
Die Menschenrechtsorganisation Memorial hat ihre Struktur und ihre Charta geändert, um der drohenden Auflösung durch die russischen Behörden zu entgehen. Die Änderungen seien erfolgt, "um in Einklang mit dem russischen Recht" zu kommen, erklärte der Vorsitzende Oleg Orlow. Den Angaben zufolge bedeuten die Änderungen vor allem, dass Memorial eine zentralisiertere Struktur bekommt. Alle regionalen Menschenrechtsgruppen, die bisher locker unter dem Dach von Memorial agierten, sollen nun als regionale Antennen der Organisation gelten.
Das Oberste Gericht Russlands hat seine Entscheidung über Memorial für den 17. Dezember angekündigt. Das Justizministerium fordert seit geraumer Zeit die Auflösung der ältesten und größten Menschenrechtsorganisation des Landes, unter deren Dach rund 50 kleinere Gruppen zusammengeschlossen sind. Im Mai verpflichtete das Ministerium Memorial bereits dazu, sich ins Register "ausländischer Agenten" eintragen zu lassen, weil die Organisation finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhält und gleichzeitig politische Ziele verfolgt. Vor gut einer Woche erklärte das Ministerium dann, sein Ziel sei nicht die Schließung von Memorial, sondern ihre Strukturen in Einklang mit dem Gesetz zu bringen. Eine zentralisiertere Struktur ist nach Angaben von Memorial-Direktorin Jelena Jemkowa für Moskau leichter zu kontrollieren.
Memorial war 1989 von Dissidenten wie dem Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow mit dem Ziel gegründet worden, die Erinnerung an die Opfer sowjetischer Unterdrückung wachzuhalten. Sie gilt international als seriöseste Nichtregierungsorganisation in Russland und wird unter anderem von der deutschen Bundesregierung unterstützt.
Memorial dokumentiert Verbrechen aus der Stalin-Zeit und positioniert sich regelmäßig zu verschiedenen Menschenrechtsfragen. In einigen Bevölkerungsteilen Russlands gilt die Arbeit der Organisation deshalb als unpatriotisch und wird häufig als "Nestbeschmutzung" missverstanden. Während der Perestroika-Zeit und der Präsidentschaft Boris Jelzins erlebte Memorial eine goldene Ära. Das Blatt wendete sich jedoch 1999 mit dem Amtsantritt von Wladimir Putin.
Quelle: ntv.de, lou/AFP