ISW: Vormarsch verlangsamt sich Russland wendet wohl neue Taktik bei Charkiw-Offensive an
15.05.2024, 16:07 Uhr Artikel anhören
Die russischen Streitkräfte wollen im Grenzgebiet in den vergangenen Tagen mehrere ukrainische Dörfer eingenommen haben.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Truppenverlegungen, Waffenlieferungen - die Ukraine versucht alles, um den Vormarsch der russischen Truppen im Gebiet Charkiw aufzuhalten. Das gelingt wohl einigermaßen, denn das Offensivtempo soll nachgelassen haben. Zudem gibt es Berichte über eine neue Taktik von Moskaus Soldaten.
Auch wenn die ukrainischen Streitkräfte kürzlich einzelne Stellungen in der Region Charkiw verlassen haben, um sich besser zu positionieren, und Russland vermutlich weitere Dörfer erobert hat, soll sich der Vormarsch laut Institut für Kriegsstudien (ISW) verlangsamt haben. In einer aktuellen Analyse heißt es, dass das Tempo der russischen Offensivoperationen am Dienstag nachgelassen zu haben scheint. Das Muster der Angriffe soll zudem ein Hinweis darauf sein, dass die Kreml-Truppen im Grenzgebiet eine "Pufferzone" schaffen wollen und eine Offensive auf die Millionenstadt Charkiw derzeit vermutlich nicht das Ziel ist.
Der Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, hatte davon gesprochen, dass die Stabilisierung in der Region Charkiw in der Nacht von Montag auf Dienst begonnen habe. Dies soll ein Resultat aus der Verlegung von zusätzlichen ukrainischen Einheiten in das Gebiet sein, die die russischen Vorstöße abwehren.
Laut ISW sprechen verschiedene russische und ukrainische Quellen davon, dass die russischen Streitkräfte eine neue Taktik in der Region anwenden. Demnach nutzen sie kleinere Angriffsgruppen von nicht mehr als fünf Personen, um ukrainische Positionen zu durchdringen, bevor sie sich mit anderen kleinen Angriffsgruppen vereinigen, um eine schlagkräftigere Gruppe zu bilden.
"Die Verwendung kleiner Angriffsgruppen könnte jedoch zu höheren Verlusten an Personal und Material bei den russischen Streitkräften führen und das Gesamttempo der russischen Offensive in dieser Richtung verlangsamen", hieß es von der US-Denkfabrik. Ein russischer Militärkommentator, der zuvor als Ausbilder der Einheit "Sturm-Z" tätig war, soll beklagt haben, dass Aufnahmen von kleinen russischen Angriffsgruppen auf eine schlechte Ausbildung und Vorbereitung hindeuteten und nicht auf eine effektive neue Taktik.
Russland schafft sich ein Aufmarschgebiet
Oberst Markus Reisner vom Österreichischen Heer sagte im Interview mit ntv.de, das zweite Ziel der Russen neben der Schaffung einer Pufferzone sei, die Frontlinie um 200 Kilometer zu verlängern. "Das setzt die Ukraine unter Druck, denn sie muss jetzt ihre kostbaren Reserven nicht nur im Donbass, sondern mittlerweile auch nördlich von Charkiw einsetzen." Die dritte Absicht sei, ein Aufmarschgebiet für künftige Angriffe zu schaffen. "Eine Art Bereitstellungsraum, aus dem heraus dann die Russen theoretisch auch in Richtung Charkiw angreifen können."
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Montag in einer Videoansprache verkündet, Kiew habe die Truppen im Gebiet Charkiw verstärkt, um die russischen Angriffe abzuwehren. Der zuständige Brigadegeneral Mykhailo Drapatyi werde mit allen erforderlichen Waffen und Kräften ausgestattet. Laut US-Angaben sind Waffen aus dem vor wenigen Wochen verabschiedeten 61-Milliarden-Dollar Waffenpaket mittlerweile in ukrainischen Händen.
Quelle: ntv.de, rog