Politik

Sehnsucht nach Opposition SPD-Basis fühlt sich verraten

In der SPD herrschen einer Umfrage zufolge viel Unmut über die große Koalition und Sehnsucht nach der Opposition. In einer Forsa-Befragung für das Magazin "Stern" urteilten 58 Prozent der befragten SPD-Mitglieder, in der Zusammenarbeit mit der Union habe die Partei ihre Prinzipien verraten. 52 Prozent sagten, die Arbeit in der großen Koalition schade der SPD. Je 62 Prozent sagen Nein zur Rente mit 67 und zur geplanten Unternehmenssteuerreform. Aus Sicht von fast zwei Dritteln (63 Prozent) würde der SPD eine Zeit in der Opposition gut tun, um wieder zu sich selbst zu finden. Nur 22 Prozent erwarten einen Wahlsieg bei der Bundestagswahl 2009.

Große Skepsis herrscht an der Basis der Umfrage zufolge auch über Parteichef Kurt Beck. Weniger als die Hälfte (48 Prozent) bewerteten seine Arbeit als gut oder sehr gut. Und nur 23 Prozent sehen in ihm den Kanzlerkandidaten mit den besten Erfolgsaussichten. Damit liegt er allerdings auf Platz eins unter den möglichen Bewerbern, vor Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit 20 Prozent. Danach folgen mit jeweils acht Prozent Altkanzler Gerhard Schröder, Vizekanzler Franz Müntefering und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.

Beck hatte am Montag auf Umfragen und Berichte über interne Kritik an seiner Führung mit einer positiven Bilanz seiner einjährigen Amtszeit als Parteichef reagiert. Er hat sich nicht festgelegt, ob er die Partei 2009 als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl führen will. In der Umfrage bezweifelten 56 Prozent, dass Beck die Partei "aus ihrer gegenwärtigen Krise führen" könne.

Fast ein Drittel der SPD-Mitglieder (29 Prozent) haben der Umfrage zufolge in jüngster Zeit über einen Parteiaustritt nachgedacht, 4 Prozent stehen nach eigenen Angaben kurz vor ihrem Austritt. 9 Prozent können sich vorstellen, zur Linkspartei zu wechseln.

Stärkere Orientierung nach links

In der SPD wächst inzwischen die Kritik am Ausgrenzungskurs der Parteiführung gegenüber der Linkspartei. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, hat die SPD-Linke die Parteispitze aufgefordert, die Linkspartei nicht länger als Tabu zu betrachten. Dies werde sich für die SPD nicht auszahlen, sagte der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels in der SPD, Ottmar Schreiner, dem Blatt. "Damit beschneiden wir uns die eigene Machtperspektive." Demokratische Parteien müssten miteinander koalitionsfähig sein, sagte Schreiner weiter. "Es ist nicht einzusehen, dass das für die Linkspartei nicht gelten soll."

Die Kritiker nahmen den Einzug der Linkspartei in die Bürgerschaft in Bremen zum Anlass zur Forderung nach einem Kurswechsel und einer stärkeren Abgrenzung in der großen Koalition. Die Linken werfen der SPD-Führung eine zu starre Haltung vor. Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sagte der "Berliner Zeitung", die SPD solle weder angstvoll, noch mit Anbiederung auf die Linkspartei reagieren. Diese hatte bei der Wahl in Bremen 8,4 Prozent der Stimmen erhalten und damit erstmals den Sprung in ein westdeutsches Landesparlament geschafft. SPD-Wahlsieger Jens Böhrnsen hat eine Koalition mit der Partei in Bremen ebenso klar ausgeschlossen wie Beck für die Bundesebene. "Die SPD wird sich mit den Sorgen und Nöten der Wähler der Linkspartei auseinander setzen. Aber nicht mit den Funktionären", sagte er in Mainz.

Linkspartei als späterer Koalitionspartner

Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit, der mit der Linkspartei koaliert, warnte davor, die Erfolge dieser Partei auf die leichte Schulter zu nehmen. Wenn sich in Zeiten eines wirtschaftlichen Aufschwungs eine Partei links von der SPD etablieren könne, müsse man dies ernst nehmen. Wowereit und sein Bündnis werden von Parteilinken als Symbol einer langfristigen rot-roten Koalitionsoption gesehen.

Juso-Chef Björn Böhning, ein enger Mitarbeiter Wowereits, bekräftigte diese Überlegungen. "Eine Koalition mit der Linkspartei ist sicher in den Jahren 2013 und folgende nicht ausgeschlossen", sagte er im Deutschlandfunk.

Distanz zur Union

Die SPD-Linke verband ihre Kritik am derzeitigen Kurs mit der Forderung nach mehr Distanz zur Union in der großen Koalition. "Man darf die Kompromisse nicht dauernd schönreden", betonte der Sprecher der parlamentarischen Linken, Ernst-Dieter Rossmann, in der "Frankfurter Rundschau". Indirekt forderte er, im Zweifelsfall dem eigenen Profil den Vorzug vor der Regierungsbeteiligung zu geben: "Nicht die Macht ist für die SPD wichtig, sondern die Gestaltungsmacht."

(Datenbasis: 1003 repräsentativ ausgewählte SPD-Mitglieder. Befragung vom 8. bis 11. Mai 2007. Statistische Fehlertoleranz: +/-3 Prozentpunkte.)

Quelle: ntv.de

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