Finale in Hamburg SPD betont linke Werte
28.10.2007, 08:45 UhrDie SPD hat sich ein neues Grundsatzprogramm gegeben, mit dem die Sozialdemokraten für mehr Chancengerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft streiten wollen. Die Delegierten billigten mit überwältigender Mehrheit das "Hamburger Programm". Es gab nur zwei Gegenstimmen. Nach mehreren Verzögerungen wird damit das 1989 verabschiedete "Berliner Manifest" zu den Akten gelegt, das kurz vor der deutschen Wiedervereinigung verabschiedet worden war und die Auswirkungen des Mauerfalls und der Globalisierung noch nicht aufgreifen konnte.
Mit dem "Hamburger Programm" rückten die Sozialdemokraten die Partei programmatisch wieder nach links und grenzen sich so noch deutlicher von der Union ab. Das Programm nennt als ausdrückliches Ziel mehrfach den in der SPD umstrittenen Begriff des "demokratischen Sozialismus".
Festhalten am Wohlfahrtsstaat
SPD-Chef Kurt Beck mahnte die Genossen noch kurz vor der Abstimmung: "Lasst uns daran denken, wenn wir jetzt die Kartenzeichen gegeben haben und der Entwurf zum Programm geworden ist, dass wir uns erstens daran orientieren und zweitens für diese Werte aktiv arbeiten." Zuvor hatte er bereits betont, der Begriff des "demokratischen Sozialismus" sei ganz bewusst in das Programm aufgenommen worden - und zwar "nicht nur als geschichtliche Reminiszenz", sondern als wichtiger Teil der inhaltlichen Arbeit. Auch wird das Festhalten am herkömmlichen Wohlfahrtsstaat mit verbürgten Sozialleistungen und Rechtsansprüchen wieder stärker betont.
Wer den Sozialdemokraten einen Widerspruch zwischen Gerechtigkeit und Freiheit unterstelle, sei entweder ahnungslos oder böswillig, sagte Beck. Die SPD habe im Übrigen "in ihrer Geschichte nichts zurückzunehmen". Sie müsse sich auch "für nichts, was da entschieden worden ist, bei den Menschen entschuldigen". "Wir müssen keine Brüche vollziehen oder erklären", sagte Beck unter Anspielung auf die Diskussion über die Reform-"Agenda 2010". Gleichzeitig appellierte er an die Solidarität und Verantwortung der Menschen. "Es gibt keine Menschlichkeit, wenn Solidarität nicht unser Handeln bestimmt."
Beck forderte gleiche Bildungschancen für alle. Eine entscheidende Voraussetzung für eine gerechte Gesellschaft sei, "dass wir heute die Bildungschancen so organisieren, so verteilen, dass alle nach ihren Fähigkeiten und ihren Möglichkeiten daran teilhaben können". Mit Blick auf die Wirtschaft sagte der Parteichef, Erfolg bedeute immer auch Verantwortung für die Mitarbeiter. Es könne nicht sein, dass arbeitende Menschen zusätzlich Sozialtransfers benötigten.
Merkel-Kritik zurückgewiesen
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, neben SPD-Vize Andrea Nahles und Generalsekretär Hubertus Heil Hauptautor des "Hamburger Programms", verwahrte sich gegen Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die SPD kehre zum Sozialismus zurück. Dass der Staatssozialismus sowjetischer Prägung gescheitert sei, "widerlegt doch nicht die sozialdemokratische Vorstellung eines freiheitlichen Sozialismus aus einer Gesellschaft der Freien und Gleichen". Heil sagte mit Blick auf den Anspruch der SPD auf Chancengerechtigkeit: "Die Sozialdemokratie ist nicht gegründet worden als Armenküche des Kapitalismus."
Programm fürs Herz
Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel sagte in einer umjubelten Rede, mit dem neuen Programm im Rücken könne die SPD wieder mit Selbstbewusstsein auf die Menschen zugehen. "Das Programm richtet sich nicht nur an den Verstand und das Gehirn, es richtet sich auch an das Herz der Menschen." Unter anderem verlangt die SPD in dem Programm gesetzliche Mindestlöhne, eine "gerechte Besteuerung" von großen Vermögen und Erbschaften und die Ausdehnung der gesetzlichen Rentenversicherung auf alle Erwerbstätigen. Außerdem sollen Nicht-EU-Ausländer ein kommunales Wahlrecht erhalten und die Vereinten Nationen "oberste Instanz der internationalen Rechtsordnung" werden".
Alle wieder Seit an Seit
Arbeitsminister Franz Müntefering legte seinen Streit mit Beck über das Arbeitslosengeld zumindest nach außen hin bei; beide Kontrahenten gaben sich die Hand und demonstrierten auf offener Bühne den Schulterschluss. I
Die SPD geht nach Überzeugung von Parteichef Beck gestärkt aus dem Hamburger Parteitag hervor. Es seien drei gute Tage gewesen, sagte er zum Abschluss des Kongresses. "Wir haben die Weichen gestellt für eine zukunftsfähige Politik." Mit dem neuen Führungsteam sei die Partei jetzt gut aufgestellt. Bevor der Kongress auseinanderging, stimmten die rund 500 Delegierten das SPD- Traditionslied "Wann wir schreiten Seit an Seit" an.
CDU will alles blockieren
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat angekündigt, dass seine Partei die Umsetzung großer Teile der SPD-Parteitagsbeschlüsse in der großen Koalition blockieren wird. "Die CDU wird dafür sorgen, dass die ganzen aufschwung-feindlichen Beschlüsse des SPD-Parteitages nie Regierungspolitik werden - sei es der einheitliche gesetzliche Mindestlohn von 7,50 Euro oder die Arbeitszeitbegrenzung", sagte er in einem Interview.
Der Nutzen eines Tempolimits von 130 auf Autobahnen stehe in keinem Verhältnis zu den Einschränkungen für Autofahrer. "Mit der CDU wird es eine solche Gängelei nicht geben." Ähnliches gelte für das Vorhaben der SPD, bei der Bahnreform Volksaktien auszugeben. "Die SPD hat bei der Bahnprivatisierung eine Vollbremsung bei laufender Fahrt vorgenommen. Wenn die Bahnreform scheitert, hat die SPD sie durch ihren Parteitagsbeschluss vor die Wand gefahren.".
SPD-Chef Kurt Beck habe mit einem programmatischen Linksruck die Partei gespalten - in eine Regierungs- und eine Oppositionspartei, sagte Pofalla. Der Linksruck erhöhe die Chancen der Union in der nächsten Bundestagswahl.
Quelle: ntv.de