Politik

Schwarz-Gelb verliert Mehrheit SPD frohlockt trotz schlechter Werte

Auch wenn der Sieger ziemlich sicher scheint: Die Bundestagswahl wird noch einmal richtig spannend. Zwei Tage vor der Wahl verliert Schwarz-Gelb in der aktuellen Forsa-Umfrage die Mehrheit - die Union rutscht auf 33 Prozent ab. Die SPD kann zwar nicht davon profitieren, hofft dennoch auf den Last-Minute-Umschwung.

Voller Hoffnung: SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier mit Parteichef Münteferin (links) und Berlins Bürgermeister Wowereit (rechtS).

Voller Hoffnung: SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier mit Parteichef Münteferin (links) und Berlins Bürgermeister Wowereit (rechtS).

(Foto: REUTERS)

Zwei Tage vor der Bundestagswahl müssen Union und FDP um ihre Mehrheit bangen. In einer aktuellen Forsa-Umfrage verliert Schwarz-Gelb mit 47 Prozent die Mehrheit – SPD, Grüne und Linkspartei erreichen ebenfalls 47 Prozent. Alle Parteien bemühen sich deshalb mit einem "Last-Minute-Wahlkampf" in noch nie dagewesenem Ausmaß, diese Wähler bis Sonntag auf ihre Seite zu ziehen.

In der Umfrage im Auftrag von RTL und "Stern" kommen CDU/CSU nur noch auf 33 Prozent, 2 Punkte weniger als noch Anfang dieser Woche. Die SPD verlor 1 Punkt und liegt nun bei 25 Prozent. Die FDP steigt in der Wählergunst um 1 Punkt auf 14 Prozent. Auch die Linke legt weiter zu, sie klettert um 2 Punkte auf 12 Prozent. Die Grünen verlieren 1 Punkt und kommen auf 10 Prozent.

Erschwert werden die Prognosen dadurch, dass bis zu einem Drittel der Wähler noch unentschlossen sind. Nach allen Umfragen hat aber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gute Chancen, im Amt zu bleiben. Die SPD mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kann darauf hoffen, sich nochmals als Juniorpartner in eine Große Koalition zu retten. Alle anderen Bündnis-Varianten gelten als wenig wahrscheinlich.

Steinmeier will überholen

Die SPD setzt deshalb vor allem darauf, Schwarz-Gelb zu verhindern. Auf einer Kundgebung in Berlin warnte Steinmeier vor einer tiefen sozialen Spaltung im Fall eines Wahlsiegs von Union und FDP. Nach seiner Ansicht ist der Wahlausgang weiter völlig offen. Das SPD-Ergebnis werde besser sein als die Umfragen. Seine Partei habe aufgeholt. "Und wer aufholen kann, kann auch überholen", sagte der SPD-Kandidat.

Mit Kundgebungen in Dresden und Steinmeiers Heimatstadt Detmold beendet die SPD an Samstag offiziell ihren Wahlkampf. Auch Merkel will am Samstag in Berlin nochmals um Stimmen werben.

Um die rund 600 Abgeordnetensitze im 17. Deutschen Bundestag bewerben sich insgesamt mehr als 3500 Bewerber aus 28 Parteien. Aller Voraussicht nach werden im neuen Parlament aber nur sechs Parteien vertreten sein: CDU, CSU, SPD, FDP, Linke und Grüne. Alle anderen dürften daran scheitern, dass sie unter 5 Prozent der Stimmen bleiben. Parallel zum Bundestag werden am Sonntag in Brandenburg und Schleswig-Holstein neue Landtage gewählt. In beiden Ländern gibt es bislang ebenfalls Große Koalitionen.

Entscheidung durch Überhangmandate?

Schon 2005 waren Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle überraschend gescheitert, ihre Wunschkoalition zustande zu bringen. Auch dieses Mal ist ihr lange Zeit komfortabler Vorsprung nach den letzten Umfragen dahin. Die Meinungsforscher sagen seit einigen Tagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schwarz-Gelb sowie SPD, Grünen und Linkspartei voraus.

Der Wahlsieg ist Merkel vielleicht nicht mehr zu nehmen - Schwarz-Gelb aber schon.

Der Wahlsieg ist Merkel vielleicht nicht mehr zu nehmen - Schwarz-Gelb aber schon.

(Foto: AP)

Entscheidend könnten die "Überhangmandate" werden: Im Extremfall könnten Union und FDP selbst 45 Prozent der Stimmen reichen, um eine Mehrheit zu bekommen. Überhangmandate gibt es dann, wenn eine Partei in einem Land direkt in den Wahlkreisen mehr Mandate gewinnt als ihr nach den Zweitstimmen zustehen. Davon könnte vor allem die CDU profitieren.

Große Koalition wahrscheinlich

Falls es für Schwarz-Gelb nicht reicht, gilt eine Wiederauflage der großen Koalition als wahrscheinlichste Variante. Rein rechnerisch könnten sich auch eine Jamaika-Koalition (Union, FDP und Grüne), eine Ampel-Koalition (SPD, Grüne und FDP) oder eine rot-rot-grüne Koalition (SPD, Linkspartei und Grüne) ergeben. Solche Varianten hat im Wahlkampf aber stets mindestens eine der Parteien ausgeschlossen. Auch ein Bündnis allein aus Union und Grünen gilt angesichts der Umfragen als wenig wahrscheinlich.

Der Politikexperte Gerd Langguth hält eine erneute Große Koalition für möglich: "In den letzten Tagen vor der Wahl hat erfahrungsgemäß die Sozialdemokratie immer noch aufgeholt", sagte er. "Offensichtlich bekennen sich auch bei der sogenannten Sonntagsfrage potenzielle SPD-Wähler geringer als Wähler anderer Parteien zu ihrer Partei." Am Ende entscheide womöglich die Zahl der Überhangmandate.

Steinmeier als Fraktionschef?

In der SPD kursieren derweil Planspiele, wonach Herausforderer Frank-Walter Steinmeier im Falle einer Neuauflage der großen Koalition das Amt des Fraktionschefs statt des Außenministers anstreben könnte. Spätestens 2011 solle er auch Parteichef werden, um 2013 bessere Chancen für einen erneuten Angriff auf das Kanzleramt zu haben, hieß es in der "Bild"-Zeitung. Demnach wäre Finanzminister Peer Steinbrück Favorit für das Auswärtige Amt. Gegen ihn spräche sein oft wenig diplomatisches Auftreten in der Öffentlichkeit. Allerdings könnte Steinbrück den Posten als Vizekanzler in einer großen Koalition auch als Finanzminister ausüben.

Aus der SPD hieß es, vor der Wahl werde viel spekuliert. Gleichzeitig wurde die Variante mit Steinmeier als dauerhaftem Fraktionschef nicht völlig von der Hand gewiesen, da dieser dann nicht mehr dem Kabinettszwang unterläge und sich von einer Kanzlerin Merkel absetzen könnte. Steinmeier könne sich womöglich bereits in der ersten Sitzung der neuen Abgeordneten am Dienstag auf jeden Fall zum Fraktionschef wählen lassen, um mit diesem Vertrauensbeweis in mögliche Koalitionsverhandlungen zu gehen. Bei einem Wechsel in die Regierung müsste er den Posten wieder abgeben. Zuletzt gab es vermehrt Hinweise, dass Steinmeier auch in der Opposition Fraktionschef werden will.

Die Wahl beginnt am Sonntag um 08.00 Uhr. Mit Schließung der Wahllokale um 18.00 Uhr werden die ersten Prognosen veröffentlicht. Das vorläufige amtliche Endergebnis kommt dann erst in der Nacht zum Montag. Angesichts des bisherigen Wahlkampf-Verlaufs erwarten Experten, dass weniger Bundesbürger zur Wahl gehen als 2005. Damals lag die Beteiligung bei 77,7 Prozent.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen