"Partei muss das aushalten" SPD schmeißt Sarrazin nicht raus
15.03.2010, 16:36 UhrDie Berliner SPD entscheidet sich gegen einen Ausschluss des ehemaligen Finanzsenators Sarrazin. Umstrittene Äußerungen des Bundesbank-Vorstands müsse eine Partei wie die SPD aushalten, urteil die Landesschiedskommission.
Der Bundesbank-Vorstand und frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin darf in der SPD bleiben. Das entschied die Landesschiedskommission der Berliner SPD. Sarrazin habe sich nicht rassistisch geäußert und auch nicht gegen die Parteisatzung verstoßen. Deshalb werde er nicht aus der Partei ausgeschlossen.
Seine provozierenden Äußerungen seien "sicherlich problematisch, doch sie können zugleich auch nützlich sein", hieß es in der Begründung der Kommission. "Die SPD muss solche provokanten Äußerungen aushalten." Ein SPD-Kreisverband hatte Sarrazin rassistische und diffamierende Äußerungen über Araber und Türken vorgeworfen.
Sarrazin hatte wiederholt mit Äußerungen zur Integration für scharfe Debatten gesorgt. So hatte er in einem Interview im vergangenen Jahr türkischen und arabischen Einwanderern in Berlin vorgeworfen, sie seien "weder integrationswillig noch integrationsfähig". Sie hätten "keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel" und produzierten "ständig neue kleine Kopftuchmädchen".
Kein Freibrief
Die Landesschiedskommission urteilte, Sarrazin habe sich zwar "radikal und bis zum Tabubruch" geäußert, aber gerade nicht auf rassistische Weise, weil er genau wie Teile der Türken und Araber auch bestimmte Gruppen in der deutschen Bevölkerung kritisiert habe. Er müsse sich aber bewusst sein, "dass er durch diese Entscheidung keinen Freifahrtschein für alle künftigen Provokationen" erhalte. Er habe durch seine Sprache zahlreiche Menschen verletzt.
Gleichzeitig wird Sarrazin gewarnt, weil er sich vom "humanen und emanzipatorischen Menschenbild" der SPD entferne: "Rundumschläge gegen weite Bevölkerungsschichten und -gruppen sind auf Dauer geeignet, sich negativ für die Partei auszuwirken, können also parteischädigend sein. Sie sind daher von einem Parteimitglied zu unterlassen, das auch in Zukunft diese Partei als seine politische Heimat ansehen will."
Der Scharfmacher bleibt
Die Bundesbank hatte Sarrazin daraufhin im Oktober die Zuständigkeit für den wichtigen Geschäftsbereich Bargeld im Vorstand abgenommen. Die Berliner SPD-Kreisschiedskommission hatte Sarrazin vom Vorwurf der Parteischädigung freigesprochen. Dagegen hatten der SPD-Kreisverband Spandau und der Ortsverein Alt-Pankow Berufung eingelegt, über die die Landesschiedskommission befinden musste.
Sarrazin sagte der "Berliner Morgenpost", er werde selbstverständlich in der SPD bleiben, der er seit 1973 angehöre. Seine Gegner von der Parteilinken müssten prüfen, ob sie noch die Interessen einer Volkspartei vertreten wollen, die den Anspruch habe, die Lebenslagen einer Mehrheit der Menschen widerzuspiegeln. Er warf ihnen vor, "eher für Mehrheiten innerhalb der Partei" zu streiten. Wenn sich die Gelegenheit biete, werde er sich erneut zum Thema Integration äußern, kündigte Sarrazi an. Seinem Berliner SPD-Landesverband empfahl er, seine Integrationspolitik realitätstauglich zu machen. "Das gelingt nur, wenn Probleme klar angesprochen und differenziert analysiert werden."
Quelle: ntv.de, AFP/dpa