Politik

Wahlkampf kommt nicht in Gang SPD verzweifelt an der Union

Franz Münteferings Kampfansagen bleiben ungehört.

Franz Münteferings Kampfansagen bleiben ungehört.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die SPD versucht die Union im Wahlkampf zu greifen, aber es gelingt ihr nicht. Angela Merkel äußert sich einfach nicht zu den Kampfansagen der Sozialdemokraten und fährt gut damit. Schade eigentlich, denn von Spannung ist keine Spur.

Es ist ein bisschen wie mit einem Stück Seife. Die SPD will die Union im Wahlkampf greifen, doch ständig flutscht sie ihr aus den Händen. Während die Sozialdemokraten um die besten Ideen für Deutschland streiten wollen, verweigert sich Kanzlerin Angela Merkel weitgehend den SPD-Attacken und spielt souverän ihren Kanzlerbonus aus. Es klingt schon etwas nach Verzweiflung, wenn SPD-Chef Franz Müntefering sagt: "Frau Merkel, kommen Sie aus Ihrer schwarzen Ecke, kommen Sie in die Mitte des Rings. Dann werden wir sehen, wer die besseren Argumente hat." Dass bisher die offenherzigen Dekolleté-Plakate der Berliner CDU-Kandidatin Vera Lengsfeld einer der größten Aufreger waren, zeigt aber auch, dass richtiger Wahlkampf aus einer großen Koalition heraus, schwer ist. Das war schon 1969 so.

Jack Lang lernt gerade in Berlin Deutsch. Der 69-jährige Franzose kennt sich in Politik aus, er war in seinem Land gleich mehrfach Kulturminister. Dort, wo die Bürger schon in alter Tradition mit den Politikern, aber auch die Politiker untereinander nicht gerade zimperlich miteinander umgehen. So wundert sich Lang, was er derzeit in Deutschland erlebt. "Der Wahlkampf macht auf mich einen ruhigen Eindruck,wenn man vergleicht, was wir aus Frankreich kennen", sagt der prominente Sprachlehrling. "Die Spannung ist nicht so hoch, wie man sie während eines Wahlkampfs erwartet."

Es liegt kein Knistern in der Luft

Genau dieses Knistern ist es, was die SPD seit Wochen zu erreichen versucht. Schließlich geht es um einen Weg aus der schwersten Nachkriegsrezession. Doch eine Stimmung wie in den drei Bundestags-Wahlkämpfen von 1998, 2002 und 2005, wo das SPD-Zugpferd Gerhard Schröder hieß, will sich nicht einstellen. Die Union will die Auseinandersetzung partout nicht anheizen, auch wenn es nur noch fünf Wochen bis zur Wahl sind. Der frühere Unions-Wahlkampfmanager Michael Spreng hält Merkels Taktik für sinnvoll. "Es sieht so aus, dass sie damit Erfolg haben könnte, auch wenn dies zu einem der langweiligsten Wahlkämpfe der letzten 20 Jahre geführt hat."

Hinzu kommen bei der SPD hausgemachte Probleme, wie die Dienstwagenaffäre von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Und Debatten wie die um das angeblich marktradikale industriepolitische Papier aus dem Hause von CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verpuffen. Zum Vergleich: 2005 hatte zum jetzigen Zeitpunkt die viel beschworene Aufholjagd der SPD schon längst begonnen.

CDU fade, aber erfolgreicher

Die Attacken der SPD prallen an Angela Merkel ab.

Die Attacken der SPD prallen an Angela Merkel ab.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Kanzlerin Merkel und die Unions-Leute blieben auch am Wochenende eisern bei der Linie, dass nicht geholzt wird. Ihr Wahlkampf erschöpft sich in der stetigen und für das interessierte Publikum etwas faden Wiederholung der vor Wochen verabschiedeten Positionen. "Jeder Wahlkampf findet in einer bestimmten Zeit statt", argumentiert Fraktionschef Volker Kauder. Derzeit interessiere die Bürger vor allem der Weg aus der Wirtschaftskrise. Klamauk sei da unangebracht.

Das SPD-Dilemma ist, dass die Kompromisssuche in der großen Koalition die Positionen der großen Parteien immer ähnlicher gemacht hat - da wundert es nicht, dass Kanzlerin Merkel viele Passagen des Deutschland-Plans von SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier auch unterschreiben könnte. "Die SPD ist in einer ganz besonderen Situation", analysiert Andrea Wolf von der Forschungsgruppe Wahlen. Durch die Beteiligung an der großen Koalition könne die SPD kaum eine richtige Wechselstimmung erzeugen. "Das ist schon strukturell in der großen Koalition angelegt." Die Situation sei auch anders als 1969.

Unaufgeregtes Publikum

Damals war man gerade gut aus der ersten Nachkriegsrezession herausgekommen, durch die Konjunkturpakete wurde die Wirtschaft fast überhitzt. Die SPD stellte mit Karl Schiller den Wirtschaftsminister in der Großen Koalition - und der war außerordentlich beliebt. Die SPD schrieb sich die Überwindung der Krise auf ihre Fahnen. Schiller und Kanzlerkandidat Willy Brandt galten als unverbraucht, mit der FDP schmiedete man eine Koalition - auch wenn die Union stärkste Kraft blieb.

Die Parteien treffen derzeit aber auch auf ein recht unaufgeregtes Publikum. Nach einer Allensbach-Erhebung sieht nur eine Minderheit der Deutschen die Entscheidung am 27. September als Schicksalswahl an. Nur 27 Prozent glauben, dass der Ausgang darüber entscheidet, wie rasch sich Deutschland ökonomisch erholt. Aber: In einer Woche könnte nach dem Superwahlsonntag mit drei Landtagswahlen und der möglichen Bildung rot-rot-grüner Koalitionen doch noch richtig Fahrt in den bisher dahindümpelnden Wahlkampf kommen.

Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack, dpa

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