Politik

"Chance für die Opposition" Saakaschwili zieht Wahlen vor

Nach der Verhängung des Ausnahmezustandes in Georgien hat Staatschef Michail Saakaschwili überraschend Präsidentenwahlen für den 5. Januar angesetzt. "Ich gebe der Opposition eine Chance, vom Volk gewählt zu werden", sagte der 39-Jährige in einer Fernsehansprache.

Saakaschwili reagierte damit auf die tagelangen Proteste von Regierungskritikern und das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die friedlichen Demonstranten am Mittwoch, als 500 Menschen verletzt wurden. Die NATO, die EU und die USA hatten sich besorgt über die zugespitzte Lage in der Kaukasusrepublik geäußert und eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Opposition und Regierung gefordert. Auch die Bundesregierung zeigte sich besorgt. "Demokratie und Rechtsstaat müssen sich jetzt bewähren", erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier(SPD) in Berlin. Er appellierte an alle Kräfte, die Krise friedlich und im Dialog zu beenden.

Die USA begrüßten die Ankündigung von Präsidentenwahlen. Zugleich forderte der Sprecher des US-Außenministeriums, Sean McCormack, die Regierung des Kaukasusstaates auf, den Ausnahmezustand aufzuheben. Unabhängige TV-Nachrichtensendungen müssten wieder zugelassen werden, verlangte McCormack in Washington.

Saakaschwili will erneut kandidieren

Saakaschwili kündigte für den 5. Januar auch eine Volksabstimmung über den Termin der Parlamentswahl an. Die Opposition hatte vorgezogene Wahlen gefordert. Nach bisherigem Stand sollten in Georgien im Herbst 2008 ein neues Parlament und ein neuer Präsident gewählt werden. Saakaschwili will erneut kandidieren.

Der georgische Oppositionspolitiker Iwlian Chaindrawa begrüßte die Entscheidung des Präsidenten. "Das ist ein sehr interessanter Schritt Saakaschwilis", sagte der Vorsitzende der Republikanischen Partei der Deutschen Presse-Agentur dpa in Tiflis. Die Entscheidung sei als Zugeständnis an die Opposition zu werten. Durch den brutalen Einsatz gegen friedliche Demonstranten habe Saakaschwili gezeigt, dass das Bild des Westens von ihm als Demokrat falsch sei.

In der Zentrale der oppositionellen Republikanischen Partei feierten Vertreter verschiedener regierungskritischer Partei ihren Sieg. Sie kündigten laut georgischen Medienberichten an, einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen um das Präsidentenamt zu schicken. Gemäß der Verfassung des Landes muss Saakaschwili 45 Tage vor der Wahl von seinem Amt zurücktreten. Er kündigte in seiner Fernsehansprache an, den Ausnahmezustand in den nächsten Tagen wieder aufzuheben. Nach seinem Rücktritt werde für die Übergangszeit die Parlamentsvorsitzende Nino Burdschnadse das Präsidentenamt übernehmen, meldeten Medien in Tiflis.

Der Vizepräsident des georgischen Parlaments, Michail Matschawariani, äußerte die Hoffnung, dass der Ausnahmezustand bald wieder aufgehoben werde. Wenn sich die Lage im Land stabilisiere, brauche das Parlament das Dekret des Präsidenten nicht zu bestätigen. Das georgische Gesetz sieht vor, dass das Parlament einen Ausnahmezustand innerhalb von 48 Stunden nach Bekanntwerden des Erlasses bestätigen muss.

Informationen nur vom georgischen Staatsfernsehen

Militärs hatten kurz nach Verhängung des Ausnahmezustandes am Donnerstag in der Hauptstadt Tiflis öffentliche Plätze und Straßen abgeriegelt, um weitere Proteste gegen Saakaschwili zu verhindern. Vereinzelt kam es zu Studentenprotesten, die ohne Gewalt aufgelöst wurden. Im gesamten Land herrschte eine gespannte Ruhe. Schulen blieben geschlossen. Nur das georgische Staatsfernsehen informierte über die Lage im Land. Regierungskritische Kanäle wie auch ausländische Nachrichtensender wurden abgeschaltet.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte die Besetzung der zwei populärsten TV-Sender in Georgien, Imedi TV und Kaukasia TV, sowie die Gewalt gegen Journalisten. Die NATO forderte alle Beteiligten des Konflikts auf, "keine Gewalt anzuwenden". "Wir hoffen, dass die Krise bei voller Respektierung der demokratischen Prinzipien von Rede- und Pressefreiheit gelöst werden kann", sagte eine Sprecherin der EU- Kommission.

Zwischen Moskau und Tiflis verschärfte sich der Ton, nachdem Saakaschwili den russischen Geheimdiensten die Schuld an der Zuspitzung der Lage gegeben hatte. Die Vorwürfe seien "absurd" und ein Ablenkungsmanöver der Führung in Tiflis von den innenpolitischen Problemen, sagte Außenministeriumssprecher Michail Kamynin in Moskau. Die Ausweisung von drei russischen Botschaftsangehörigen sei eine "beispiellose Provokation", sagte Moskaus Botschafter in Georgien, Wjatscheslaw Kowalenko, nach Angaben der russischen Agentur Interfax. Russland wies am Donnerstag ebenfalls drei georgische Diplomaten aus.

Quelle: ntv.de

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