Kein Gedanke an Rücktritt Saleh fordert Waffenruhe
23.09.2011, 14:45 Uhr
		                      Saleh ist zurück (Archivfoto Mai 2011).
(Foto: REUTERS)
Nach dreimonatiger Abwesenheit kehrt der jemenitische Präsident Saleh in sein von Kämpfen zerrüttetes Land zurück. Er fordert eine Waffenruhe. Die Opposition sind den politischen Prozess am Ende. Die sich seit einer Woche verschärfenden Kämpfe gehen derweil weiter.
Der umstrittene jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh ist nach dreimonatigem Aufenthalt in Saudi-Arabien überraschend in sein Heimatland zurückgekehrt. Dadurch wurden Ängste geschürt, die instabile Lage im Land könne in einen Bürgerkrieg kippen. Unmittelbar nachdem seine Ankunft im jemenitischen Fernsehen angekündigt wurde, waren Schüsse und Explosionen in der Hauptstadt Sanaa zu hören. Die US-Regierung forderte Saleh zum Rücktritt auf. Dazu solle der Präsident das vom Golf-Kooperationsrat vorgelegte Abkommen unterzeichnen, das seinen Rückzug von der Macht vorsieht. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief alle Seiten zu Zurückhaltung und Gewaltverzicht auf.
Saleh verlangte eine Waffenrufe. "Die Lösung liegt nicht in Gewehr- und Pistolenläufen, sondern im Dialog und einem Ende des Blutvergießens", zitierte das Verteidigungsministerium den autokratischen Machthaber. "Die Staatsmacht und die Opposition sollen eine Waffenruhe vereinbaren. Dies wird den Weg für eine Einigung und für den Zusammenhalt aller politischen Akteure ebnen", wurde Saleh weiter zitiert. Ein hochrangiger saudi-arabischer Regierungsvertreter sagte, Saleh sei in den Jemen zurückgekehrt, um "Ordnung zu schaffen und Wahlen vorzubereiten". Anschließend müsse Saleh "gehen".
Zudem wurde eine "Grundsatzrede" des Präsidenten an das Volk für den kommenden Montag angekündigt. Dies werde aus Anlass des 49. Jahrestages des Militärputsches vom 26. September 1962 geschehen, bei dem die Herrschaft des letzten Imams beendet worden war. Die Bundesregierung in Berlin warnte vor Chaos und Unregierbarkeit und forderte demokratische Reformen. Sie rief Regierung und Opposition auf, sich auf eine Übergangsregierung zu einigen und demokratische Wahlen vorzubereiten. Dabei müsse die Opposition berücksichtigt werden.
Kämpfe halten an
Einheiten des zur Opposition übergelaufenen Generals Ali Mohsen al Ahmar lieferten sich derweil weiterhin Kämpfe mit der von Salehs Sohn Ahmed kommandierten regierungstreuen Republikanischen Garde. Beide Seiten wurden zudem von Stammeskämpfern unterstützt. Am schwersten waren die Gefechte laut Augenzeugen im Stadtteil Hasaba im Norden Saanas, wo nach Stammesangaben in der Nacht vier Kämpfer getötet wurden. Bei neuerlichen Kämpfen kamen nun nach Angaben der Opposition 18 Menschen ums Leben. 56 Menschen wurden demnach verletzt.
Saleh war nach Saudi-Arabien gereist, um sich von den Folgen eines Anschlags zu erholen. Er war am 3.Juni bei einem Granatenangriff auf seinen Palast in Sanaa verletzt worden, einen Tag später wurde er in ein Militärkrankenhaus in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad eingeliefert. Das Krankenhaus verließ er bereits Anfang August, seitdem hielt er sich offiziellen Angaben zufolge zur weiteren Genesung in Saudi-Arabien auf.
Im Zuge des arabischen Frühlings waren im Januar auch gegen seine über 30 Jahre währende Herrschaft Proteste ausgebrochen. Seitdem ist es zu immer heftigeren Zusammenstößen zwischen Gegnern und Befürwortern des Präsidenten gekommen. In den vergangenen fünf Tagen erreichten die Kämpfe einen vorläufigen Höhepunkt mit dem Tod von über 100 Menschen. Seit Ausbruch der Proteste sollen mehr als 450 Menschen getötet worden sein.
"Politischer Prozess ist tot"
Dass Saleh jetzt zurückgekommen sei, deute darauf hin, dass er die Machtfrage mit Gewalt lösen wolle, sagte der politische Analyst und Mitbegründer der Bewegung "Demokratisches Erwachen", Abdulghani al-Iryani. "Seine Leute werden denken, sie seien nun in einer stärkeren Position und sie werden deswegen Kompromisse ablehnen." Der politische Prozess sei durch die Rückkehr tot.
Die Rückkehr kam für die Opposition und Diplomaten überraschend, die Saleh zum Rückzug aus dem Präsidentenamt bewegen wollten. Politische Beobachter gehen davon aus, dass Saleh mit dem Einverständnis der Saudi-Regierung zurückgekehrt sei, da diese ihre Interessen auch jenseits der knapp 1500 Kilometer langen gemeinsamen Grenze wahren möchte. Neben Saudi-Arabien fürchten auch andere Länder, dass Al-Kaida-nahe Extremisten das Machtvakuum nutzen könnten.
Auf einen früheren Vorschlag der Golfstaaten für einen friedlichen Machtwechsel, der ihm und seiner Familie Straffreiheit garantiert hätte, ging Salih in seiner Erklärung nicht ein. Die Kämpfe erschweren auch die internationalen Vermittlungsbemühungen. Der in dem Konflikt vermittelnde Generalsekretär des Golf-Kooperationsrats, Abdellatif Sajani, hatte die Stadt am Mittwoch angesichts der Kämpfe verlassen. Er wollte am Rande der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York mit Diplomaten über die Lage im Jemen beraten.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP