K-Frage macht Union nervös Schäuble attackiert Steinbrück
06.09.2011, 15:59 Uhr
Schäuble präsentiert seinen Etatentwurf und verteidigt den Sparkurs der Bundesregierung.
(Foto: REUTERS)
"Bessere Manieren" empfiehlt Finanzminister Schäuble seinem Vorgänger Steinbrück bei der Haushaltsdebatte im Bundestag. Und offenbart damit, dass man bei der Union mit einem Kanzlerkandidaten Steinbrück rechnet. Der spricht erst Ende September im Parlament, wenn es um das Euro-Paket geht - und für Schwarz-Gelb um die Existenz.
Mit Ermahnungen an Griechenland und einem Wortgefecht zwischen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seinem SPD-Vorgänger Peer Steinbrück haben die Haushaltsberatungen im Bundestag begonnen. Beraten werden der Haushalt für 2012 und der Finanzplan bis 2015.
Mit der bis Freitag laufenden Debatte beendete der Bundestag seine parlamentarische Sommerpause. Höhepunkt des Rede-Marathons ist an diesem Mittwoch die Generalaussprache über den Etat der Kanzlerin.
Endgültig verabschiedet werden sollen die Etatpläne im November. Dann will Schwarz-Gelb auch über die angekündigten Steuersenkungspläne entscheiden. Noch immer gibt es dazu zwischen CDU, CSU und FDP keine Einigung.
"Das muss man in Griechenland wissen"
In der Debatte forderte Schäuble von Griechenland, sich an die vereinbarten Sparmaßnahmen zu halten. Die unterbrochene Troika-Mission von Europäischer Union, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) müsse erfolgreich abgeschlossen werden, sonst könne die nächste Geldrate nicht ausgezahlt werden. "Das muss man in Griechenland wissen. Da gibt es keinen Entscheidungsspielraum", sagte der CDU-Politiker im Bundestag.
Schäuble machte allerdings auch klar, dass Griechenland bereits harte Schritte zum Schuldenabbau beschlossen hat. "Das Bild der bequemen Hängematte ist ganz gewiss falsch", sagte der Minister.
"Ein bisschen bessere Manieren"
Deutschland sieht Schäuble als "Stabilitätsanker und Wachstumslokomotive" in der EU. Diese Rolle wolle die Bundesregierung mit einem konsequenten Schuldenabbau stärken, sagte Schäuble. Dabei warnte er vor einem "Pumpkapitalismus" mit immer neuen Schulden. "Wir schaffen Vertrauen durch finanzpolitische Solidität und Verlässlichkeit", betonte Schäuble.

Die Lichtgestalt sitzt in der fünften Reihe: Steinbrück reizte den Finanzminister mit Zwischenrufen.
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"Wir setzen mit dem Entwurf den Defizitabbau konsequent fort", betonte er. "Wir schwimmen nicht im Geld, aber wir ertrinken auch nicht in Schulden."
Das Thema Schuldenabbau reizte den SPD-Politiker Steinbrück zu einigen Zwischenrufen, auf die Schäuble scharf reagierte: "Wenn Sie Kanzlerkandidat werden wollen, müssen Sie sich noch ein bisschen bessere Manieren zulegen. Sonst wird das nichts", sagte Schäuble seinem Vorgänger. Steinbrück ist bei der SPD als Kanzlerkandidat im Gespräch, was Schäuble bereits im Juni zu der ironischen Bemerkung veranlasst hatte, die Union sei "auf der Hut".
Offiziell entschieden ist zwar noch nichts. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte der "Rheinischen Post" allerdings, wenn jetzt Wahlen wären, hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen Steinbrück "keine Chance". Noch sträuben sich die Linken in der SPD gegen Steinbrück. Wie am Montag DGB-Chef Michael Sommer bringen sie immer wieder Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Kanzlerkandidaten ins Gespräch. Der jedoch hat längst abgewunken.
Showdown mit Steinbrück Ende September
Zu einer unmittelbaren Erwiderung auf Schäuble durch Steinbrück kam es im Bundestag nicht. In den kommenden Tagen hält der SPD-Politiker in Berlin jedoch einige Reden. Ende des Monats wird er aller Voraussicht nach in der Schlussdebatte zum Euro-Paket für die SPD die Hauptrede im Plenum halten.
Bei dieser Abstimmung geht es um die Erhöhung der deutschen Garantien für den Euro-Rettungsschirm EFSF von 123 auf 211 Milliarden Euro. Das Gesetz dürfte problemlos durch den Bundestag gehen, weil nur eine einfache Mehrheit notwendig ist. Unklar ist aber, ob die Koalition auch eine Mehrheit der Sitze des Bundestages - die Kanzlermehrheit - hinter sich hat. Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Fraktionen am Montagabend hatten 25 Abgeordnete nicht dafür gestimmt, bei 19 liegt die Grenze. Bleibt es dabei, wären aus Sicht der SPD Neuwahlen fällig.
Ein paar Wochen nach der Abstimmung über den EFSF erscheint Steinbrücks neues Buch, das er zusammen mit Helmut Schmidt geschrieben hat. Auch damit dürfte er seine Chancen auf die SPD-Kanzlerkandidatur noch steigern.
Schäuble will Schuldenbremse 2015 einhalten
Im Bundestag kritisierte die Opposition derweil Schäubles Etatpläne als Luftbuchungen. SPD, Grüne und Linke verwiesen auf wachsende Risiken in zweistelliger Milliardenhöhe. Die zuletzt gute Konjunkturentwicklung und steigende Steuereinnahmen hätten zu einer stärkeren Senkung des Haushaltsdefizits genutzt werden müssen.
Insgesamt steht Deutschland bei den Haushaltszahlen im Vergleich mit den meisten Euro-Ländern gut da. Schäuble sagte, möglicherweise könne der Bund die Schuldenbremse sogar schon 2015 einhalten und damit ein Jahr früher als vorgeschrieben. Ab 2016 dürfen neue Kredite die Grenze von 0,35 Prozent des BIP nicht mehr überschreiten - das wären etwa zehn Milliarden Euro.
Liste der Risiken wird länger
Schäuble geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um rund drei Prozent zulegen werde. Das inzwischen langsamere Wachstum sei eine Normalisierung. "Rezession sieht jedenfalls anders aus." In den kommenden Jahren müsse sich Deutschland jedoch auf moderatere Wachstumsraten einstellen. Von 2013 an sei ein durchschnittliches Plus von jährlich rund 1,6 Prozent zu erwarten.
Die Opposition warf der schwarz-gelben Koalition vor, sich auf der guten Konjunktur auszuruhen. Sie verwies auf die beinahe täglich länger werdende Liste der Etat-Risiken. Neben der sich verschärfenden Euro-Schuldenkrise und dem Konjunkturabschwung seien dies geringere Einnahmen aus der Atom- und der Flugticketsteuer. Hinzu kämen weniger Einsparungen aus der Bundeswehrreform, Zinsrisiken, die offene Finanztransaktionssteuer sowie noch nicht eingelöste Sparvorgaben. SPD-Finanzexperte Joachim Poß sagte, Schäubles Haushaltsplanungen unterstellten ein ununterbrochenes Wachstum in den kommenden Jahren. "Das widerspricht jeder Lebenserfahrung."
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa/rts