Politik

Kabinett beschließt Steuersenkung Schäuble redet Entlastungen klein

Ersteinmal mussten sich Westerwelle, Rösler und Merkel einigen, nun wollen sie die Länder mit ins Boot holen.

Ersteinmal mussten sich Westerwelle, Rösler und Merkel einigen, nun wollen sie die Länder mit ins Boot holen.

(Foto: dpa)

Das schwarz-gelbe Bundeskabinett beschließt den Entwurf für den Bundeshaushalt 2012. Er sieht Ausgaben von 306 Milliarden Euro und eine Neuverschuldung von gut 27 Milliarden vor. Gleichzeitig werden Entlastungen auf den Weg gebracht. Nicht nur Finanzminister Schäuble gibt zu bedenken: "Wir haben wenig Spielraum."

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble trägt die von der Koalition angepeilten Steuerentlastungen grundsätzlich mit. Dabei geht es nach seinen Worten vor allem um die Bekämpfung der sogenannten kalten Progression. Hier rechnet der CDU-Politiker am Ende auch mit einer Zustimmung der Länder. Überlegungen der FDP, angesichts des Länder-Widerstands gegen Steuersenkungen den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, erteilte Schäuble in Berlin eine Absage.

Hoffnungen auf umfangreiche Entlastungen im Wahljahr 2013 dämpfte Schäuble jedoch. "Wir haben wenig Spielraum", sagte er bei der Vorstellung der mittelfristigen Finanzplanung in Berlin.

Kabinett beschließt Entlastungen

Zuvor hatte das schwarz-gelbe Kabinett eine Steuersenkung und geringere Sozialabgaben ab 2013 beschlossen und sich hinter eine Grundsatzeinigung der Parteivorsitzenden der Koalitionspartner CDU, CSU und FDP gestellt. Zugleich brachte die Regierung den Entwurf für den Haushalt 2012 und den Finanzplan bis 2015 auf den Weg.

In den Haushaltsplänen von Finanzminister Schäuble sind Einnahmeausfälle in Folge von Steuersenkungen allerdings nicht vorgesehen. Das Volumen der versprochenen Entlastungen bei Steuern und Sozialbeiträgen soll im Herbst festgelegt werden. Dann liegt auch die neue Prognose für die Steuereinnahmen vor. Endgültig verabschiedet werden die Etatpläne vom Bundestag Ende November. Für die Steuerpläne benötigt die Koalition die Zustimmung der Länder. Widerstand kommt bisher aber auch von CDU-Ministerpräsidenten.

SPD-Chef Sigmar Gabriel griff die Haushaltspolitik der Bundesregierung scharf an. Er warf der schwarz-gelben Koalition vor, keine Vorsorge für die Herausforderungen der kommenden Jahre zu treffen. Dies gelte vor allem "für denkbare Risiken in der wirtschaftlichen Entwicklung oder vom Euro". Besonders hart ging Gabriel mit den Koalitionsplänen für Steuersenkungen ins Gericht: "Endlich haben wir eine Schuldenbremse in der Verfassung, die den Politikern verbietet, Wahlgeschenke auf Pump zu finanzieren. Und zum ersten Mal, wo diese Schuldenbremse in Gang kommen soll, verstoßen CDU, CSU und FDP gegen dieses Prinzip, keine Politik mehr auf Pump und zulasten von Schulden zu machen."

Schäuble

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Der Abbau der Verschuldung müsse "absoluten Vorrang" haben, betonte der SPD-Chef. "Wir können es uns nicht leisten, immer mehr der hart erarbeiteten Steuergelder für Zinsen an Banken zu verschenken, nur weil die Politik Wahlversprechen macht, die man hinterher nicht einhalten kann."

"Gewisse Preissteigerungstendenzen"

Mit Blick auf die angestrebte Minderung der "kalten Progression" sagte Schäuble, man könne dies Steuerentlastungen nennen oder auch Korrekturen. Die Bedeutung habe zugenommen angesichts "gewisser Preissteigerungstendenzen". Zum möglichen Umfang der Korrekturen wollte sich Schäuble nicht äußern. Dies werde im Herbst entschieden. Das Problem der "kalten Progression" bei der Einkommensteuer entsteht dann, wenn trotz Lohnzuwächsen die Arbeitnehmer aufgrund einer hohen Preissteigerung und nach Steuerabzug am Ende weniger Geld in der Tasche haben.

Er gehe davon aus, dass in den Ländern und Kommunen ebenfalls ein Interesse bestehe, das Problem der "kalten Progression" anzugehen. Wie dies aber über den Solidaritätszuschlag zielgerichtet bekämpft werden könne, überschreite seine Vorstellungskraft, sagte er zum Vorstoß aus der FDP. Bei einem Wegfall des "Soli" würden dem Bund jährlich zwischen 12 und 15 Milliarden Euro fehlen.

Das Phänomen der "kalten Progression" gibt es seit Jahrzehnten. Aufgrund steigender Steuersätze bei Lohnzuwächsen - wie auch jetzt im Aufschwung - fallen ganz normal mehr Einkommensteuern an. Problematisch wird es dann, wenn die Lohnzuwächse brutto lediglich zu einem Ausgleich der Preissteigerung führen. Der Fiskus kassiert dann für mehr Bruttolohn auch mehr Steuern nach höheren Tarifsätzen. Trotz Inflationsausgleichs sinkt dann die reale Kaufkraft der Steuerzahler.

Folgejahre werden teurer

Mit der Kenntnisnahme im Kabinett sind die Steuerpläne nun auch offizieller Beschluss der Bundesregierung. Nach dem Regierungsentwurf für den Haushalt 2012 und die Folgejahre ergeben sich dafür trotz des Wirtschafts- und Beschäftigungsbooms sowie sprudelnder Einnahmen ohne weitere Einsparungen noch keine finanziellen Spielräume. Hintergrund sind neue Milliarden-Schulden für die Euro-Rettung, anhaltende Etat-Risiken sowie noch nicht eingelöste Sparvorgaben.

Dies schlägt sich auch in der Neuverschuldung des Bundes nieder. Zwar fällt die Nettokreditaufnahme in diesem Jahr mit weniger als 30 Milliarden Euro und im kommenden Jahr mit 27,2 Milliarden Euro weit geringer aus als zuletzt veranschlagt. In den Folgejahren kann Schäuble die Nettokreditaufnahme aber weniger stark drücken als noch Mitte März in den Haushalts-Eckpunkten geplant.

Schäuble geht es vor allem darum, die "kalte Progression" zu stoppen.

Schäuble geht es vor allem darum, die "kalte Progression" zu stoppen.

(Foto: dpa)

Für 2013 plant Schäuble nun eine Neuverschuldung von 24,9 Milliarden Euro - gegenüber 22,3 Milliarden in den März-Eckwerten. 2014 sollen es 18,7 statt 15,3 Milliarden sein. 2015 muss sich Schäuble noch 14,7 Milliarden Euro leihen. Das gesamtstaatliche Defizit von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialkassen könnte 2011 nach den Plänen auf unter 2 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden. Es liegt damit zwei Jahre früher als im Defizitverfahren gefordert unter der Maastricht-Obergrenze von 3,0 Prozent. 2012 halten Ökonomen sogar wieder ausgeglichene Staatskassen für möglich.

Neue Belastungen wiegen schwer

Als wesentliche neue Belastung gegenüber den Etat-Eckpunkten vom März schlagen ab 2013 alljährlich 4,3 Milliarden Euro zu Buche, die der Bund an den künftigen Euro-Rettungsfonds ESM abführen muss. Höhere Schulden bedeuten auch mehr Zinslasten. Mehrkosten ergeben sich beim Zuschuss an die Rentenkasse sowie für "Überhangpersonal" bei der Bundeswehr. Offen ist, wie eine Sparvorgabe von je 4,8 Milliarden Euro für 2014 und 2015 erreicht wird. Unterm Strich sind 2012 Gesamtausgaben von 306 Milliarden Euro veranschlagt, gut zwei Milliarden mehr als im März. Sie klettern bis 2015 auf 315 Milliarden, 5,5 Milliarden Euro mehr als im Frühjahr.

Bei den Steuereinnahmen geht Schäuble zwar von einem zusätzlichen Plus aus. Es fallen aber auch Mindereinnahmen an - etwa bei der Atomsteuer. Unklar ist zudem, ob es zu den Einnahmen von jährlich 2 Milliarden Euro aus einer Finanzsteuer kommt, die bereits auf 2013 verschoben wurden. Auch fehlen Einnahmen im Zuge der Energiewende. Dafür will Schäuble 2012 mehr Privatisierungserlöse erzielen.

Starke Kritik von der Opposition

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, hatte die Bundesregierung aufgefordert, der Konsolidierung des Haushalts oberste Priorität zu geben. Er sagte der "taz": "In guten Zeiten sollte man alles daran setzen, die Neuverschuldung des Haushaltes schneller abzubauen und Vorsorge zu treffen, damit man in schlechten Zeiten wieder ein wenig Luft hat."

Die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, Priska Hinz, warf der Bundesregierung eine "unsolide Finanzpolitik" vor. Trotz der sehr guten volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen wolle die Regierung bis 2015 mehr als 85 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufnehmen. Gegenüber den Planungen vom März liege sie damit sogar noch 3,1 Milliarden Euro höher, "obwohl sich das konjunkturelle Umfeld seit diesem Zeitpunkt weiter stabilisiert hat". Das seien "XXL-Schulden im XXL-Aufschwung".

Luftbuchungen wie die Finanztransaktions- oder die Kernbrennstoffsteuer träten nun als neue Schulden offen zu Tage, monierte die Grünen-Politikerin. "In dieser unsoliden schwarz-gelben Tradition wird nun ab 2013 den Bürgern eine Steuersenkung auf Pump versprochen, die der Etat nicht verkraften kann."

Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs von der CDU sprach sich in der "Rheinischen Post" für Subventionskürzungen aus, um mehr Spielraum für Steuersenkungen zu schaffen. "Wenn die Arbeitslosenzahl so sehr sinkt wie zurzeit, können wir bei den Förderprogrammen für Arbeitslose stärker kürzen", sagte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion. "Auch die Subventionen für Unternehmen gehören auf den Prüfstand."

Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP

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