Verhandlungsmikado in Cancún Scheitern ist nicht ausgeschlossen
10.12.2010, 08:28 UhrBeim Klimagipfel in Cancún steht weiterhin die Frage eines neuen Klimaschutzabkommens im Mittelpunkt. Japan, Kanada und Russland lehnen "Kyoto-2" ab. Boliviens Präsident Morales nennt einen Verzicht auf Kyoto "Völkermord". Fortschritte würden dadurch behindert, dass "keiner sich zu früh bewegen" wolle, sagt Bundesumweltminister Röttgen.
In der Schlussphase der UN-Klimaschutzkonferenz im mexikanischen Cancún wird weiter zäh um Verfahrensfragen und einzelne Formulierungen gerungen. "Langsamkeit ist schon fast eine diplomatische Formulierung", sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Gesucht wird insbesondere nach Kompromissformeln im Streit um die Zukunft des Kyoto-Protokolls.
"Japan wird sich am Festlegen einer zweiten Verpflichtungsperiode für das Kyoto-Protokoll nicht beteiligen", beharrte der japanische Umweltminister Ryo Matsumoto. Er plädierte ebenso wie die Vertreter Kanadas und Russlands dafür, lieber die vor einem Jahr ausgehandelte Übereinkunft von Kopenhagen ("Copenhagen Accord") als Grundlage für ein neues Klimaschutzabkommen zu nehmen.
Die drei Länder begründen ihre Haltung damit, dass die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls nur 27 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen betreffen, die Hauptemittenten USA und China mit zusammen 40 Prozent der Emissionen aber außen vor bleiben. Vor allem Kanada mit seinen unkonventionellen Vorräten an fossilen Energieträgern gilt als einer der großen Bremser in Cancún.
Morales spricht von "Völkermord"
China und weitere Schwellen- und Entwicklungsländer halten dagegen an ihrer Forderung fest, das Kyoto-Protokoll weiter fortzuschreiben. Dessen erste Verpflichtungsperiode läuft 2012 aus, jetzt geht es um "Kyoto-2". "Die zweite Verpflichtungsperiode ist ein Muss", sagte der brasilianische Unterhändler Carlos Alberto Figueiredo. Boliviens Präsident Evo Morales nannte einen Verzicht auf Kyoto sogar "Völkermord". Auch Deutschland und die EU befürworten ein Festhalten am Kyoto-Protokoll, dessen rechtliche Verbindlichkeit höher ist als die des bislang unverbindlichen "Copenhagen Accord".
EU-Unterhändler brachten auch einen Vorschlag ins Spiel, sich in Cancún nur auf das Ziel eines umfassenden, bindenden Klimaschutzabkommens festzulegen, die Zukunft des Kyoto-Protokolls aber offen zu lassen. "Wir werden eine gute Formulierung finden", zeigte sich der japanische Delegierte Akira Yamada trotz des Streits zuversichtlich.
2 Grad sollen offiziell werden
Verhandelt wird mit Blick auf den offiziell am Freitagabend (Ortszeit) geplanten Abschluss der Konferenz in einer kleineren Runde der Vertreter von 50 Staaten, die aber im Plenum jeweils über neue Verhandlungsstände informieren sollte. Dabei geht es auch um die Aufwertung der Inhalte des unverbindlichen "Copenhagen Accord" zu offiziellen Konferenzbeschlüssen. Ein Kernpunkt ist dabei die Festschreibung des Ziels, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, woraus sich Vorgaben für die Senkung von Treibhausgasemissionen ableiten ließen.
Die Frage der Emissionsminderung ist nach Einschätzung von Bundesumweltminister Röttgen der Punkt, an dem sich Erfolg oder Misserfolg von Cancún entscheiden dürften. Behindert würden Fortschritte dadurch, dass "keiner sich zu früh bewegen" wolle. "Meine Sorge ist, dass sich am Ende keiner bewegt hat", sagte der Minister. Vereinbarungen wurden zudem zum Waldschutz und zur Anpassung an Klimafolgen angestrebt. Die Verhandlungen hierüber waren teilweise weit fortgeschritten, ein Erfolg hing aber auch hier vom Zustandekommen eines Gesamtpakets ab.
Einzelne Wälder oder Wälder im Ganzen?
Auch beim Waldschutzabkommen REDD+ sind Kernpunkte wie Finanzierung und ein Messsystem nicht endgültig geklärt. Zudem ist noch nicht fertig ausformuliert, ob das Abkommen einzelne Wälder jeweils für sich oder die gesamten Wälder eines Landes betrachten soll. Falls nur ein Wald einzeln geschützt wird, besteht die Befürchtung, dass Holz im Nachbarwald geschlagen wird.
"Wir haben nicht mehr viel Zeit", mahnte die Verhandlungsleiterin des Gipfels, Patricia Espinosa, rund 20 Stunden vor offiziellem Abschluss des Gipfels. "Schauen Sie über Ihre nationalen Grenzen hinweg."
Röttgen denkt schon Durban
Umweltminister Röttgen mahnte vor dem letzten Gipfeltag, nicht zu viele Probleme auf die Zukunft zu verschieben. "Je weniger wir hier in Cancún aufs Papier bringen, desto dicker wird der Rucksack für Durban", betonte Röttgen mit Blick auf die UN-Klimakonferenz 2011 in Südafrika, wo ein neues, verbindliches Klimaschutzabkommen, das die diversen Einzelabkommen berücksichtigt, zustande kommen soll. Es dürfe nicht die Strategie von Cancún sein, möglichst viele Entscheidungen auf Durban zu verschieben, so Röttgen.
Deutschland und Dänemark sowie weitere Staaten stellten am Rande der UN-Klimakonferenz konkrete Projekte zum Klimaschutz vor, die zusammen mit dem UN-Umweltprogramm UNEP umgesetzt werden sollen. Bei dem deutschen Vorhaben geht es um die Anpassung an Klimafolgen in Bergregionen in Uganda, Nepal und Peru. "Konkrete Aktionen für den Klimaschutz haben seit der UN-Konferenz von Kopenhagen an Schwung gewonnen", sagte UNEP-Chef Achim Steiner.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts