Antisemitismus in Polizeischule "Schlag ins Gesicht der Opfer"
21.03.2007, 07:47 UhrDie Berliner Polizei will ihren Untersuchungsbericht zum Antisemitismus-Vorwurf gegen mehrere Polizeischüler so schnell wie möglich vorlegen. "Wir sind mitten in der Untersuchung", sagte Polizeisprecher Bernhard Schodrowski. Liegt der Bericht vor, gebe es auch Klarheit über Konsequenzen. In der Polizeischule Ruhleben sollen angehende Polizisten im Unterricht mit dem jüdischen Holocaust-Überlebenden Isaac Behar (83) erklärt haben, sie wollten nicht dauernd an den Holocaust erinnert werden. Es sollen auch Äußerungen gefallen sein, "dass Juden reiche Leute" seien.
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Wolfgang Speck, wandte sich gegen den Vorwurf eines Rechtsrucks in der Polizei. "Mit ist nicht bekannt, dass rechte Parteien versuchen, in der Polizei an Boden zu gewinnen oder Boden gewonnen haben", sagte Speck der "Berliner Zeitung". Er forderte ein konsequentes Vorgehen gegen die Polizeischüler, wertete das Geschehen aber als Einzelfall.
Behar selbst reagierte entsetzt auf die Äußerungen. "Es war ein großer Schock für mich. Das ist ein sehr ernster Vorfall", sagte der 83-jährige Holocaust-Überlebende am Mittwoch in einem dpa-Gespräch in Berlin. Details zu den Ereignissen in der Polizeischule wollte Behar der Presse "aus Loyalität gegenüber der Berliner Polizeiführung" nicht weiter geben. "Ich habe da vollstes Vertrauen", sagte er.
Behar berichtet seit rund 20 Jahren an Polizeischulen, bei der Bundeswehr und an allgemeinen Schulen über seine Erlebnisse in der NS-Zeit. Es habe schon in der Vergangenheit immer wieder ähnliche Vorfälle während seines Unterrichts gegeben, nicht aber in dieser Dimension, sagte er.
Er habe sich danach der Diskussion gestellt und mit der Klasse weiter gesprochen. "Man kann junge Menschen nicht zwingen. Man muss sie überzeugen", betonte der 83-Jährige. Er habe den Eindruck gehabt, dass "Rädelsführer" an dem Tag das Wort ergriffen hätten. Niemand habe widersprochen. Es gebe aber "Anhaltspunkte, dass Leute dabei waren, die diese Meinung nicht teilten", sagte Behar und fügte hinzu: "Es gab innerhalb der Klasse so eine Art Korpsgeist".
In den vergangenen zwei Tagen habe er besorgte Anrufe aus den USA und Israel bekommen, berichtete Behar, der auch Gemeindeältester der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ist. Manche jüngste Medienberichte über den Vorfall an der Polizeischule nannte Behar aber überzogen. Das Geschehene dürfe auch nicht dramatisiert werden. Dies könne er mit 20 Jahren Unterrichtserfahrung sagen.
Die betroffenen Polizeischüler sind seit einem halben Jahr in der Ausbildung zum mittleren Dienst. Polizeipräsident Dieter Glietsch und Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatten eine rückhaltlose Aufklärung der Vorgänge angekündigt. Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, forderte ein hartes Vorgehen. Sie verlangte eine Bestrafung der Polizeischüler, wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten. Solche Ausfälle seien nicht hinnehmbar.
Quelle: ntv.de