Politik

Brüderle-Affäre Schnappauf muss gehen

Schnappauf war an der Indiskretion zwar nicht beteiligt - hat aber das Protokoll abgezeichnet.

Schnappauf war an der Indiskretion zwar nicht beteiligt - hat aber das Protokoll abgezeichnet.

(Foto: dapd)

In der Affäre um interne Äußerungen von Wirtschaftsminister Brüderle zum Atom-Moratorium tritt der erste der Protagonisten zurück: BDI-Hauptgeschäftsführer Schnappauf stellt sein Amt zur Verfügung. Er hatte das Protokoll am 21. März mit dem Vermerk "Vertraulich" an rund 50 Mitglieder der BDI-Spitze versandt. "Richtigstellungen" von Brüderle und Schnappauf, es handele sich um einen Protokollfehler, verhallten.

Die Affäre um durchgesickerte interne Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) kostet den ersten Posten. "Ich übernehme die politische Verantwortung für die Folgen einer Indiskretion, an der ich persönlich nicht beteiligt war, um möglichen Schaden für das Verhältnis von Wirtschaft und Politik abzuwenden." Mit dieser Erklärung stellte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf, sein Amt zur Verfügung.

Schweigen wäre auch für Brüderle Gold - vor allem vor Wahlen ...

Schweigen wäre auch für Brüderle Gold - vor allem vor Wahlen ...

(Foto: dpa)

Dem früheren bayerischen CSU-Umweltminister wird angelastet, dass Äußerungen nach draußen drangen, wonach Brüderle am 14. März - dem Tag, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Atommoratorium verkündete - auf einer Vorstands- und Präsidiumssitzung des  BDI die vorübergehende Abschaltung älterer Atomkraftwerke mit dem Wahlkampf in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz begründet haben. Die heiklen Aussagen stehen in einem Protokoll BDI. Schnappauf sprach später von einem Protokollfehler, sagte aber nicht, was genau falsch gewesen sei.

Teilnehmer: Protokoll ist wahrheitsgemäß

Teilnehmer der fraglichen Sitzung sagten jedoch, Brüderle habe sich genauso geäußert wie es berichtet worden war. "Die Sätze sind so gefallen, sie sind im Protokoll zwar verkürzt, aber richtig wiedergegeben", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" ein Präsidiumsmitglied des BDI. Die Zeitung hatte als erste über das Protokoll berichtet.

Schnappauf hatte das Protokoll am 21. März mit dem Vermerk "Vertraulich" an rund 50 Mitglieder der BDI-Spitze versandt. Unter den führenden Industriemanagern waren bei der Sitzung von BDI-Vorstand und -Präsidium am 14. März auch die Vorstandschefs der Energiekonzerne RWE und Eon, Jürgen Großmann und Johannes Teyssen.

Schon vor der Entscheidung Schnappaufs hatten sich Gerüchte verdichtet, der BDI-Spitzenmann sei durch die Affäre in Bedrängnis geraten. Aus dem Berliner Haus der Deutschen Wirtschaft, in dem die führenden Wirtschaftsverbände residieren, verlautete: "Das ist ein richtig dicker Hammer. Das kann ihn den Kopf kosten." Auch andere Verbände seien über den Fall "not amused", weil er das Vertrauensverhältnis zur Politik insgesamt beschädige und Gesprächspartner in vertraulichen Runden künftig womöglich nur noch das sagen würden, was sie auch in einem Zeitungsinterview sagen würden.

"Fehler, dass es überhaupt Protokolle gibt"

So werden laut "Kölner Stadt-Anzeiger" etwa bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) keine derartigen Protokolle angefertigt. Ein führender Vertreter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion drohte dem BDI gegenüber der Zeitung Konsequenzen an. "Wenn der BDI nicht mehr in der Lage ist, Protokolle vertraulich zu halten, dann ist das schon sehr, sehr traurig." Mancher Politiker werde nun nicht mehr an solchen Gesprächen teilnehmen. Der erste Fehler bestehe darin, dass überhaupt Protokolle erstellt würden.

Brüderle hat auch Merkel bis auf die Knochen blamiert.

Brüderle hat auch Merkel bis auf die Knochen blamiert.

(Foto: dpa)

Brüderles Sprecherin betonte, der Minister werde auch nach dem Durchsickern von Interna den regelmäßigen Austausch mit Wirtschaftsverbänden und Industrievertretern pflegen: "Daran hat sich nichts geändert."

Schnappauf habe ein Protokoll verschickt, dass er entweder nicht gelesen habe oder dessen Brisanz er unterschätzt habe, heißt es in der Zeitung. Seine Bemerkung, Brüderle sei falsch wiedergegeben worden, es habe einen Fehler im Protokoll gegeben, war  nach der Meinung von Industriekreisen der Versuch, seinen Kopf an der BDI-Spitze zu retten.

BDI-Präsident Hans-Peter Keitel betonte nach der Rücktrittserklärung Schnappaufs: "Ich zolle Werner Schnappauf hohen Respekt für seine Entscheidung und danke ihm ausdrücklich für die seit November 2007 geleistete vertrauensvolle und erfolgreiche Arbeit." Die Aufgaben Schnappaufs sollen bis auf weiteres die Mitglieder der Hauptgeschäftsführung des BDI Dieter Schweer und Stefan Mair übernehmen.

Die "Rheinische Post" berichtete unter Berufung auf Verbandskreise, Keitel habe sich bei Brüderle am Donnerstag telefonisch für die Veröffentlichung entschuldigt. Keitel sei "sehr verärgert" über die Protokollpanne gewesen. In dem Gespräch habe sich Brüderle irritiert gezeigt, dass Zitate aus internen Sitzungen dokumentiert und ohne sein Wissen versandt wurden, habe es geheißen.

Was hat Brüderle wirklich gesagt?

Brüderle im Bundestag: Seine Beteuerungen, er sei falsch zitiert worden, nimmt ihm keiner ab.

Brüderle im Bundestag: Seine Beteuerungen, er sei falsch zitiert worden, nimmt ihm keiner ab.

(Foto: dpa)

Das Wirtschaftsministerium kann keine Angaben machen, was sein Minister in der internen BDI-Runde zum Atom-Moratorium der Regierung tatsächlich gesagt hat. Brüderles Sprecherin sagte lediglich, dass der Minister das Moratorium mittrage. Auf die Frage, ob die neue Atompolitik der Regierung für Brüderle rational sei, sagte die Sprecherin: "Er hat alle Beschlüsse mitgetragen, die die Bundesregierung veröffentlicht hat." Zudem habe er mehrfach betont, dass es wegen der Katastrophe von Fukushima eine neue Lage gebe.

Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans betonte, die Bundesregierung halte das dreimonatige Aussetzen der Laufzeitverlängerung und die vorübergehende Abschaltung der ältesten Atomkraftwerke nach wie vor für richtig: "Wir sind von dem, was wir getan haben und was wir tun, absolut überzeugt."

Brüderle hatte am Donnerstag im Bundestag versucht, die Kommunikationspanne als Fehler seitens des BDI hinzustellen. Er sei mit seinen Bemerkungen falsch wiedergegeben worden, sagte der FDP-Politiker – und wurde von der Opposition schallend ausgelacht. Allerdings hatte Brüderle sich bereits am Dienstag vor einer Woche skeptisch über das Moratorium geäußert. Die Deutschen reagierten "hysterisch" auf die Katastrophe in Fukushima, sagte er am 15. März vor der FDP-Fraktion.

Merkel schweigt sich aus

Bundeskanzlerin Angela Merkel ignorierte bisher, was ihrem Wirtschaftsminister so über die Lippen geschlüpft war. Regierungssprecher Steffen Seibert schrieb lediglich im Internetdienst Twitter: "Bundesregierung nimmt unvorhersehbare Katastrophe in Japan ernst, AKW-Überprüfung hat nichts mit Wahlkampf zu tun."

Den Eindruck, das Moratorium hänge mit den Wahlen zusammen, hatte die Regierungskoalition aus Union und FDP eigentlich vermeiden wollen. Am kommenden Sonntag wird in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewählt. Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus hatte 2010 am vehementesten eine möglichst lange Verlängerung der Laufzeiten gefordert. Nach Fukushima vollzog er eine Wende um 180 Grad.

Schwache Rückendeckung aus der Koalition

Koalitionspolitiker bemühen sich derweil zwei Tage vor den Landtagswahlen um Schadensbegrenzung, die Wortmeldungen bleiben aber dürftig. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verteidigte Brüderle gegen Vorhaltungen, er habe das Atom-Moratorium mit dem Wahlkampf begründet. "Der Wirtschaftsminister hat dieser Darstellung bereits widersprochen, der Vorwurf ist auch absurd", sagte Gröhe der "Passauer Neuen Presse". Die Katastrophe von Japan sei eine Zäsur und verlange eine umfassende Überprüfung bisheriger Positionen. "Wir brauchen jetzt eine Zeit des vorbehaltlosen Nachdenkens. Von Wahlkampf-Manöver kann keine Rede sein."

Unterstützung erhielt Brüderle auch von FDP-Chef Guido Westerwelle, der von einer Kampagne der Opposition in Hinsicht auf die zwei Landtagswahlen sprach. "Das hat keinen realen Hintergrund", sagte Westerwelle bei einer Wahlveranstaltung in Stuttgart.

Glaubwürdigkeit der Regierung geht flöten

Die angeblichen Aussagen Brüderles zum Atom-Moratorium schaden nach Einschätzung des Mainzer Parteienforschers Jürgen Falter dem schwarz-gelben Wahlkampflager. "Es gibt den Gegnern von Bundesregierung und Landesregierung in Baden-Württemberg gewaltigen Rückenwind, und es bestätigt die große Skepsis der Bundesbürger gegenüber den Absichten, die hinter dem Moratorium stecken", sagte er der "Neuen Presse".

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist sich sicher: "Die Energiewende wird einkassiert, sobald die Landtagswahlen vorbei sind." Sie warf im Neubrandenburger "Nordkurier" der Bundesregierung Versagen bei der Energiewende zugunsten der erneuerbaren Energien vor. "Mit einem Salto mortale in der Atompolitik ist es nicht getan. Die Kanzlerin meint es nicht ernst." Die Bundesregierung habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt.

Quelle: ntv.de, hdr/dpa

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