Politik

Panzer statt Pipeline Scholz trifft Biden, aber Fragen darf keiner stellen

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Olaf Scholz und Joe Biden am 7. Februar 2022 im Oval Office. 17 Tage später überfiel Russland die Ukraine.

(Foto: picture alliance / Al Drago / Pool via CNP /MediaPu)

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Kanzler Scholz spricht an diesem Freitag in Washington mit US-Präsident Biden. Journalisten nimmt er, anders als sonst, nicht mit in die USA, auch eine Pressekonferenz ist nicht angesetzt. Das lässt Raum für Spekulationen. Welcher Frage wollen die beiden ausweichen?

Wenn Bundeskanzler in die USA fliegen, reisen sie normalerweise nicht allein, sondern mit einem Tross - einem Pressetross. Zum Beispiel kamen rund 25 Medienvertreter mit, als Olaf Scholz kürzlich Indien besuchte. Ganz so viele Journalisten sind nicht immer dabei, aber ein bis zwei Dutzend hat Scholz schon meist im Gefolge.

Nicht so an diesem Donnerstag, wenn er zum zweiten Mal in seiner Amtszeit als Bundeskanzler in die USA aufbricht - er fliegt komplett ohne Presse. Die Bundesregierung begründet das damit, dass es nur "ein kurzer Arbeitsbesuch" sei. Das solle aber nicht heißen, dass die Visite unwichtig wäre, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit gleichzeitig klarstellt: "Im Zentrum dieses Besuchs steht ein ausführliches Gespräch zwischen dem US-Präsidenten und dem deutschen Bundeskanzler", sagt er. Die beiden hätten "schon seit Längerem verabredet, dass sie sich 'one on one' miteinander austauschen möchten, auch ohne dass man über Telefonleitung, Videoverbindung oder so etwas miteinander spricht, sondern sehr vertraulich". Das sei der einzige Grund für diese Reise. Probleme? Gibt es nicht.

In der politisch-medialen Öffentlichkeit sorgt die Entscheidung, die Presse nicht einzuladen, dennoch für Irritationen. So fragte CDU-Chef Friedrich Merz den Kanzler am Donnerstag im Bundestag, warum er nicht Sinn und Zweck der Reise erläutert hatte. Eine Antwort bekam der Oppositionsführer nicht.

Sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen denn so schlecht, dass Scholz es vor Publikum nicht schaffen würde, den Schein zu wahren? Die Leiterin des Berliner Büros des German Marshall Fund, Sudha David-Wilp, glaubt das nicht: "Ich denke, die deutsch-amerikanische Partnerschaft ist stark und passt sich den neuen geopolitischen Gegebenheiten an." Die US-Regierung sei "sehr froh über die deutsche Entscheidung zur Zeitenwende gewesen", wisse aber auch, "dass die Dinge Zeit brauchen".

Ein Thema gibt es da

Wenig Zeit nimmt Scholz nach Washington mit, sein Aufenthalt dort soll nicht länger als zwei Stunden dauern. Es gibt einen Bildtermin im Oval Office, bei dem der US-Präsident und sein Gast in den gelben Sesseln sitzen werden, auf denen schon Angela Merkel und Donald Trump hockten - auch bei dem Besuch, bei dem Trump nicht hörte, dass die Kanzlerin ihm ein gemeinsames Händeschütteln vorschlug.

Wie damals werden die im Weißen Haus akkreditierten Journalisten auch dieses Mal die Chance nutzen, den beiden Politikern laut Fragen zuzurufen. Anders als bei förmlichen Pressekonferenzen ist der Rahmen dort so chaotisch, dass es leicht ist, Themen auszublenden oder wegzulächeln.

Vor allem ein Thema gibt es, das da infrage käme: der Konflikt um die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine. Die Bundesregierung bestreitet konsequent, dass es einen solchen Streit je gab, aber einen zentralen Widerspruch kann sie nicht auflösen. "Es hat zu keinem Zeitpunkt ein, wie es hieß, Junktim oder eine Forderung gegeben, dass das eine zu erfolgen habe, damit das andere erfolgen könne", hatte Hebestreit am 20. Januar über die Lieferung deutscher Leopard-II-Panzer und amerikanischer Abrams gesagt. Das Weiße Haus stellt den Vorgang ganz anders dar: Der Präsident habe sich ursprünglich dagegen entschieden, der Ukraine Abrams-Panzer zu liefern, "denn seine Militärs sagten ihm, dass sie auf dem Schlachtfeld in diesem Kampf nicht nützlich sein würden", sagte Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan kürzlich dem Sender ABC News.

Aus US-Sicht gab es sehr wohl ein Junktim

"Was nützlich wäre, wären deutsche Panzer", erklärte Sullivan die Position der USA weiter. "Ein Panzer namens Leopard, den viele verschiedene europäische Länder haben." Aber die Deutschen hätten Biden gesagt, dass sie nicht bereit wären, diese Leopard-Panzer in den Kampf zu schicken, "solange der Präsident nicht zustimme, auch Abrams zu schicken". Biden habe dann zugestimmt, "im Interesse der Einheit des Bündnisses und um sicherzustellen, dass die Ukraine bekommt, was sie will".

Kurzum: Nach Darstellung des Weißen Hauses gab es sehr wohl ein Junktim. Und nur eine Version kann stimmen, die von Sullivan oder die von Hebestreit.

Fragen nach diesem Sachverhalt dürften Scholz und Biden geflissentlich überhören. Sie werden damit auch durchkommen: Beim Scholz-Besuch gibt es nicht nur keine Pressebegleitung, sondern auch keine gemeinsame Pressekonferenz. Die ist normalerweise ebenfalls vorgesehen: Pro Seite gibt es zwei Fragesteller, die jeweils zwei Fragen stellen dürfen, macht acht Fragen, vielen Dank, auf Wiedersehen. Bei Scholz' erstem Besuch als Kanzler in Washington im Februar 2022 dauerte das eine knappe halbe Stunde. Schwer vorstellbar, dass der Zeitplan dieses Mal dafür zu eng war.

"Es ist schon merkwürdig, dass es bei diesem Besuch keine Pressekonferenz gibt", sagt auch Sudha David-Wilp. "Wahrscheinlich gibt es Gründe, aber so bleibt natürlich Raum für Spekulationen - und ich nehme an, genau das wollten sie eigentlich vermeiden."

Im Januar hat Biden gelacht

Auf der anderen Seite: Beide, Scholz und Biden, haben längst alle Fragen beantwortet, die zum Abrams-Leopard-Streit kommen könnten. "Ich bin sicher, dass Washington es nicht für sinnvoll hielt, Abrams-Panzer in die Ukraine zu schicken", sagt David-Wilp. "Aber um der transatlantischen Einigkeit willen, und weil er sah, dass dies wichtig für Kanzler Scholz war, hat er zugestimmt und so die Lieferung von Leopard-Panzern ermöglicht."

Als ihm im Januar, nach Bekanntgabe der Panzer-Entscheidung, die Frage gestellt wurde, ob Deutschland ihn gezwungen habe, seine Meinung über die Abrams-Panzer zu ändern, lachte Biden und sagte, Deutschland habe ihn nicht gezwungen. "Wir wollten sicherstellen, dass wir alle zusammen sind." Beim selben Auftritt nannte er Scholz eine "starke, starke Stimme für Einheit" im westlichen Bündnis und einen "engen Freund".

Nur ein paar Tage vor diesem Auftritt hatte die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, die USA seien "wütend auf Scholz", weil dieser zu diesem Zeitpunkt noch immer keine Zusage für die Lieferung von Leopard-Panzern gegeben hatte. Eine Begegnung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt im Berliner Kanzleramt soll "angespannt" verlaufen sein, die beiden seien "in ein Wortgefecht geraten".

Panzer statt Pipeline

Aus der Bundesregierung wurde der Bericht damals dementiert. Für das nun anstehende Treffen sollen zurückliegende Entscheidungen aber ohnehin keine Rolle spielen, sagt Hebestreit. Es gehe vielmehr "um den 'way ahead': Wie werden die nächsten Monate in der Ukraine? Was heißt das für die Unterstützung, die die Alliierten, die Verbündeten für die Ukraine, organisieren können?" Außerdem soll es um China gehen, wie die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, Mitte Februar sagte.

Ein weiteres Thema dürfte das Subventionsprogramm sein, das die USA mit dem Inflation Reduction Act aufgelegt haben und das die Europäer kritisch sehen. Auch dies sind allerdings keine Themen, auf die Scholz und Biden keine Antworten hätten, und seien es ausweichende. Aufschluss gibt möglicherweise ein Interview. Wie bereits im Februar 2022 stellt Scholz sich am Freitag den Fragen eines US-Senders. Dass der Kanzler glauben könnte, dort keine unangenehmen Fragen hören zu müssen, ist nicht vorstellbar.

Denn einen Streitpunkt gab es auch damals, wobei es nicht um Panzer ging, sondern um eine Pipeline: CNN-Moderator Jake Tapper wollte damals von Scholz wissen, was mit Nord Stream 2 passiere, wenn Russland die Ukraine angreife. Trotz mehrfacher Nachfragen legte Scholz sich nicht fest, sagte nur Sätze wie diesen: "Alle Schritte, die wir gehen werden, werden wir gemeinsam gehen", es werde keine Differenzen zwischen Deutschland und den USA geben. Ziemlich genau das dürfte auch dieses Mal seine Botschaft sein.

Quelle: ntv.de

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