Politik

Der Kriegstag im Überblick Scholz will Hotline für Whistleblower - Gazprom dreht am deutschen Gashahn

Die Kämpfe im Donbass halten an.

Die Kämpfe im Donbass halten an.

(Foto: REUTERS)

Bundeskanzler Scholz setzt bei der Verfolgung von Oligarchen auf einen heißen Draht für Whistleblower, den er bald einrichten lassen will. Derweil drosselt der russische Energieriese Gazprom die Gaslieferungen durch Nord Stream 1, wobei er die Schuld dafür Siemens gibt. Die Zivilisten, die im Chemiewerk Azot in Sjewjerodonezk ausharren, können auf einen von Russland angekündigten Fluchtkorridor hoffen. Der 111. Kriegstag im Überblick.

Scholz: Whistleblower sollen über Oligarchen informieren

Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützt den Versuch, die Sanktionen gegen russische Oligarchen durch eine Whistleblower-Hotline effektiver zu machen. "Die Aggression Russlands gegen die Ukraine hat gezeigt, dass Sanktionen dringend wirksamer werden müssen - insbesondere gegen russische Oligarchen und deren versteckte Vermögenswerte", sagte Scholz auf einer Veranstaltung des Financial Action Task Force (FATF), einem internationalen Gremium zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäsche. Man werde in Kürze ein zweites Sanktionsvollzugsgesetz beschließen, das unter anderem ein nationales Register für Vermögenswerte vorsehe, die mit Sanktionen belegt sind oder deren Herkunft unklar ist. "Außerdem werden wir eine spezielle Hotline für Whistleblower einrichten", kündigte der Kanzler an.

Gazprom reduziert Lieferungen durch Nord Stream 1

Deutschland muss sich unterdessen auf deutlich weniger Gas aus Russland im Sommer einstellen. Der Energieriese Gazprom kündigte an, die maximalen Liefermengen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland um 40 Prozent zu reduzieren. Grund seien Verzögerungen bei Reparaturarbeiten durch die Firma Siemens: Ein Verdichteraggregat sei nicht rechtzeitig aus der Reparatur zurück. Deshalb könnten nun nur noch täglich bis zu 100 Millionen Kubikmeter Gas durch die Pipeline gepumpt werden - oder rund 60 Prozent des bisher geplanten Tagesvolumens von 167 Millionen Kubikmeter Gas, hieß es. "Aktuell ist die Versorgungssicherheit weiter gewährleistet", erklärte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. "Wir beobachten die Lage und prüfen den Sachverhalt."

Bund gibt Gazprom Germania Milliarden-Spritze

Um die bundesweite Gasversorgung zu sichern, stützt der Bund das Unternehmen Gazprom Germania mit einem Milliardenbetrag. Mit dem Darlehen werde eine Insolvenz vermieden, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Nach Angaben aus Regierungskreisen geht es um eine Summe zwischen neun Milliarden und zehn Milliarden Euro. Die Treuhandverwaltung der Gazprom Germania GmbH (GPG) werde zugleich über den September hinaus ausgedehnt und könne durch die parallele Änderung der Rechtsgrundlage noch weiter mehrmals verlängert werden, hieß es weiter. Das durch Sanktionen von russischer Seite ins Straucheln geratene Unternehmen solle über ein Darlehen vor der Insolvenz bewahrt werden: "Mit diesem Vorgehen behält die Bundesregierung den Einfluss auf diesen Teil der kritischen Energieinfrastruktur und verhindert eine Gefährdung der Energiesicherheit."

Russland kündigt Fluchtkorridor für Mittwoch an

Nachdem die dritte und damit letzte Brücke der Stadt Sjewjerodonezk über den Fluss Siwerskyj Donez zerstört wurde, wachsen die Sorgen um die in der Stadt verbliebenen Zivilisten. Die Lage rund um das örtliche Chemiewerk Azot sei besonders schwer, sagte der Chef der städtischen Militärverwaltung, Olexander Strjuk, im ukrainischen Fernsehen. Auf dem Werksgelände sollen demnach in Bombenschutzkellern etwa 540 bis 560 Zivilisten ausharren. "Gewisse Vorräte wurden im Azot-Werk geschaffen", sagte Strjuk. Zudem leisteten Polizisten und Militärs Hilfe. Das Gelände stehe aber unter ständigem Beschuss, auch die Straßenkämpfe dauerten an. Russland kündigte für Mittwoch die Einrichtung eines Fluchtkorridors für die eingekesselten Zivilisten im Chemiewerk an, um die Flucht über einen humanitären Korridor ermöglichen. Der Fluchtweg soll in nördliche Richtung in die Stadt Swatowe (Swatowo) im Gebiet Luhansk führen, wie der Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums, Michail Misinzew, sagte.

Bauern machen Druck wegen Getreideknappheit

Der Bauernverband dringt wegen knapperer weltweiter Getreidemengen infolge des Krieges in der Ukraine auf eine Produktionsausweitung auch in Deutschland. Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte auf dem Bauerntag in Lübeck, Russland setze Lebensmittel als Waffe ein. "Dieses Schwert muss stumpfer werden, und wir können es stumpfer machen." So könnten mit einer vorübergehenden Nutzung zusätzlicher Flächen 1,4 Millionen Tonnen Weizen mehr erzeugt werden. Er erwarte von der Politik, dass sie dieses Instrument nutze.

USA: Putin peilt größere Gebietsgewinne in Ukraine an

Der russische Präsident Wladimir Putin will nach Einschätzung der US-Regierung weiter große Teile der Ukraine erobern. "Ich glaube immer noch, dass er einen Blick auf einen bedeutenden Teil der Ukraine, wenn nicht sogar auf das ganze Land geworfen hat", sagte der Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium Colin Kahl bei einer Veranstaltung der Denkfabrik Center for New American Security. Russland werde dieses Ziel jedoch nicht erreichen können. "Vielleicht können sie hier und da taktische Gewinne erzielen", sagte Kahl. Allerdings zeigten sich die Ukrainer standhaft.

Russland setzt britische Journalisten auf Schwarze Liste

Russland hat 49 britische Staatsbürger, darunter zahlreiche bekannte Journalisten, auf seine Schwarze Liste gesetzt. "Die britischen Journalisten auf der Liste sind an der vorsätzlichen Verbreitung falscher und einseitiger Informationen über Russland und die Ereignisse in der Ukraine und im Donbass beteiligt", erklärte das Außenministerium in Moskau. Außerdem würden britische Militärvertreter sanktioniert. Insgesamt finden sich 29 Journalisten auf der neuen Liste, etwa BBC-Generaldirektor Tim Davie sowie Journalisten von "The Guardian" und der "Financial Times". Auch die Herausgeber der Zeitungen "Times", "The Guardian", "Daily Mail" und "Daily Telegraph" sowie Radio- und Fernsehmoderatoren sind betroffen.

Selenskyj: "Helft uns. Bitte."

Für den zähen Abwehrkampf gegen die russische Armee erwartet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj deutlich mehr Unterstützung des Westens. "Wir müssen noch viel mehr gemeinsam tun, um diesen Krieg zu gewinnen", sagte Selenskyj der "Zeit" in einem Interview. Insbesondere brauche sein Land mehr moderne Artilleriegeschütze wie etwa Mehrfachraketenwerfer. Zur Unterstützung Deutschlands sagte er, die Waffenlieferungen seien "immer noch geringer, als sie sein könnten". Er erklärte auf die Frage, ob er sich von Bundeskanzler Scholz die klare Formulierung wünsche, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen: "Wie auch immer der Wortlaut ist: Jeden Tag sterben Dutzende von Menschen hier in der Ukraine. Jeden Tag. Wie soll ich da ruhig bleiben?" Russlands Präsident Wladimir Putin hasse die Idee eines freien und vereinten Lebens in Europa, und seine Soldaten hielten dagegen. "Also sagt, was ihr wollt und wie ihr es wollt, aber helft uns. Bitte."

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Quelle: ntv.de, lve/dpa/AFP

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