Der Donbass als Südtirol Schröder nennt Bedrohung durch Russen "absurd"
21.10.2023, 17:35 Uhr Artikel anhören
Schröder stand lange auch auf der Gehaltsliste russischer Gasfirmen.
(Foto: dpa)
Schröder ist ein alter Freund des russischen Präsidenten Putin. Zwar nennt er dessen Befehl zum Krieg eine "Fehlentscheidung". Doch wolle Putin gar nicht so viel: nur den Status quo im Donbass und auf der Krim. Angst vor den Russen sei "absurd". Schröder weiß auch, wie der Krieg beendet werden kann.
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht nach eigenen Angaben keine Gefahr für Westeuropa durch Moskau. "Wir haben keine Bedrohung. Diese Angst davor, dass die Russen kommen, ist absurd", sagt der Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin in einem Interview mit der "Berliner Zeitung". "Wie sollen die denn die NATO besiegen, geschweige denn Westeuropa besetzen?"
Schröder, der nach seiner Kanzlerschaft lange für russische Gas-Unternehmen tätig war, äußerte sich auch zu den Kriegszielen der Russen. Russland wolle allein den Status quo im Donbass und auf der Krim. "Mehr nicht", so Schröder, der offenbar Verständnis für die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Moskau hat. "Wie lange ist die Krim russisch? Die Krim ist für Russland mehr als nur ein Landstrich, sondern Teil ihrer Geschichte." Die Krim war 1954 von Moskau der ukrainischen Sowjetrepublik zugeschlagen worden.
Entgegen der Äußerung des Altkanzlers hat der Kreml wiederholt deutlich weiter gehende Kriegsziele genannt, wie eine "Entnazifizierung" und "Entmilitarisierung" der Ukraine. Außerdem hat er sich neben der Krim auch die vier ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson einverleibt. Der russische Ex-Präsident und stellvertretende Vorsitzender des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, - der laut Schröder mit Putin zu den beiden wichtigen Menschen in Moskau zählt - hatte erst Ende September bei Telegram geschrieben: "Die militärische Spezialoperation wird bis zur vollständigen Zerstörung des Nazi-Regimes in Kiew fortgesetzt." Und weiter: "Der Sieg wird unser sein. Und es wird weitere neue Regionen innerhalb Russlands geben."
Russen fühlten sich angeblich bedroht
Schröder erklärt zwar auch, er halte es für eine "fatale Fehlentscheidung", dass Putin den Krieg begonnen habe. Zugleich zeigt er aber Verständnis für die vermeintlichen russischen Motive: Russland hat sich ihm zufolge bedroht gefühlt, da mit der Türkei als NATO-Mitglied Raketen direkt nach Moskau gelangen könnten. "Die USA wollten die NATO an die russische Westgrenze bringen, mit der Ukraine als Neumitglied etwa. All das fühlte sich für die Russen als Bedrohung an."
Da seien auch irrationale Gesichtspunkte dabei, das wolle er nicht bestreiten. "Die Russen haben mit einer Mischung aus beidem reagiert: Angst und Vorwärtsverteidigung. Deswegen muss niemand in Polen, im Baltikum, schon gar nicht in Deutschland - alles NATO-Mitglieder übrigens - sich in Gefahr wähnen." Tatsächlich hatten Medwedew und andere russische Hardliner wiederholt Angriffe auf westliche Staaten gefordert. Medwedew drohte Polen gar mit der Vernichtung.
Schröder zufolge, hätte es im März 2022 ein Fenster für einen Friedensschluss gegeben. Die Ukrainer seien bereit gewesen, über die Krim zu reden. Dass es letztlich nicht dazu gekommen sei, habe nicht an den Massakern von Butscha gelegen. "Ich glaube, die Amerikaner haben den Kompromiss zwischen der Ukraine und Russland nicht gewollt. Die Amerikaner glauben, man kann die Russen klein halten."
"Waffenlieferungen sind doch keine Lösung"
Jetzt sind laut Schröder Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Immanuel Macron die einzigen, die mit Putin reden könnten. "Wieso kann man die Unterstützung der Ukraine nicht mit einem Gesprächsangebot an Russland verbinden? Die Waffenlieferungen sind doch keine Lösung für die Ewigkeit." Der Einzige, der etwas hinbekommen habe, sei der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gewesen.
Für eine Beendigung des Krieges hält Schröder mehrere Punkte für wichtig: Neben einem Verzicht offenbar auf die Krim und auf eine Mitgliedschaft in der NATO ("Die Ukraine kann ohnehin die Bedingungen nicht erfüllen"), gehören dazu die Wiedereinführung der Zweisprachigkeit und eine größere Autonomie für den Donbass. "Ein funktionierendes Modell wäre das von Südtirol", so Schröder. Außerdem solle die Ukraine Sicherheitsgarantien bekommen.
Diese hatte sie allerdings schon einmal erhalten, als sie 1994 ihre Atomwaffen an Russland abgetreten hatte. Im Budapester Memorandum bekräftigte Russland damals auch, die bestehenden Grenzen der Ukraine zu achten.
Quelle: ntv.de, ghö