Missbrauch und Sexualmoral Schröder will Runden Tisch
03.03.2010, 11:45 UhrDer Missbrauchsskandal an katholischen Einrichtungen erschüttert seit Wochen die Republik. Nun fordert Familienministerin Schröder einen Runden Tisch und relativiert: Kindesmissbrauch gebe es auch in Sportvereinen und Familien. Der ehemalige Jesuitenschüler Geißler kritisiert indes die "verlogene Sexualmoral" der Katholiken.

Familienministerin Schröder will alle Akteure an einen Tisch bringen.
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Im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal befürwortet Familienministerin Kristina Schröder einen großen Runden Tisch zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch. "Ich finde es falsch, jetzt nur die katholische Kirche an den Pranger zu stellen", sagte Schröder der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Probleme mit Kindesmissbrauch gebe es in unterschiedlichen Bereichen - auch in Sportvereinen oder in den Familien. "Deshalb ist die Idee gut, alle Akteure zu versammeln, um gemeinsame Strategien zu entwickeln", sagte die Ministerin.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte für einen Runden Tisch zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche plädiert. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hatte sich dagegen zur Wehr gesetzt. Später signalisierte er Gesprächsbereitschaft für den Fall, dass sich alle gesellschaftlich relevanten Gruppen an der Diskussion beteiligen.
Razzia im Kloster Ettal

Das Kloster Ettal.
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Im Missbrauchsskandal am Kloster Ettal übergab die Abtei der Staatsanwaltschaft inzwischen nach eigenen Angaben "aus freien Stücken" Unterlagen. Die Anklagebehörde sei bereits in der vergangenen Woche über mögliche Fälle informiert worden, sagte der sogenannte Vakanz-Administrator Pater Emmeram Walter in Ettal. Er ist nach dem Rücktritt von Abt Barnabas Bögle neuer gesetzlicher Vertreter des Klosters.

Heiner Geißler besuchte selbst das Kolleg St. Blasien und trat mit 19 Jahren für vier Jahre dem Jesuitenorden bei.
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Am Dienstag hatte die Staatsanwaltschaft München II in dem Kloster Akten zu dem Missbrauchsverdacht gegen mehrere Patres sichergestellt. Das Kloster habe aus freien Stücken Unterlagen zur Aufklärung zweier Tatkomplexe ausgehändigt, sagte Walter. Wie es aus Ermittlerkreisen hieß, betreffen die Unterlagen vorwiegend weit zurückliegende Fälle. Unbestätigten Angaben zufolge soll es jedoch auch um einen aktuellen Fall gehen. Dieser Pater soll sich selbst gemeldet haben. Der von der Abtei beauftragte Sonderermittler und Münchner Anwalt Thomas Pfister will an diesem Freitag seinen Bericht veröffentlichen.
Geißler kritisiert "verlogene Sexualmoral"
Der CDU-Politiker und Ex-Jesuitenschüler Heiner Geißler hat der katholischen Kirche eine "verlogene Sexualmoral und Körperfeindlichkeit" vorgeworfen. Die Kirche müsse "von ihrem hohen Ross herunter", damit sie nicht noch mehr ihrer Autorität verliere, sagte Geißler der "Frankfurter Rundschau".
"Die katholische Kirche nimmt in Sexualfragen für sich eine sehr hohe Moral in Anspruch. Das Sexualleben steht bei ihr unter dem Verdacht, etwas potenziell Schlechtes zu sein", ergänzte Geißler. Die jüngst bekanntgewordenen Missbrauchsfälle stünden in einem "eklatanten Widerspruch" zu diesem Anspruch. "Die Kirche verliert ihre Glaubwürdigkeit."
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP