Verwirrung um Haider Schüssel redet mit allen
26.11.2002, 00:43 UhrDer österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel will sich auch nach seinem überlegenen Wahlsieg noch nicht auf die künftige Regierungsform festlegen. Nach der Sitzung des Bundesparteivorstandes am Montagabend in Wien kündigte der Vorsitzende der konservativen Volkspartei (ÖVP) "konkrete Gespräche" mit allen Parteien an. Zugleich stellte er ein Team vor, das die Verhandlungen über die Regierungsbildung führen soll.
Auch die übrigen Mitglieder der ÖVP-Führungsriege ließen Sympathien für eine Zusammenarbeit sowohl mit den Sozialdemokraten als auch mit den Grünen erkennen. Heute ist Schüssel, der die ÖVP überraschend zur klar stärksten Partei des Landes gemacht hat, noch einmal bei Bundespräsident Thomas Klestil. Ob das Staatsoberhaupt dabei schon einen formellen Auftrag zur Regierungsbildung erteilt, war am späten Montagabend noch unklar.
Der "starke Mann" der FPÖ, der Kärtner Landeshauptsmann (Ministerpräsident) Jörg Haider, hatte nach dem Wahldebakel seiner Partei seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Am Abend bekräftigte er vor einem Treffen des Landesparteivorstands in Klagenfurt dies. Auf entsprechende Journalistenfragen antwortete Haider: "So ist es, ja." Doch nach den Worten von FPÖ-Chef Herbert Haupt bleibt Haider Landeshauptmann von Kärnten. Haupt sagte am späten Montagabend im ORF, Haider werde als "einer von neun Landeshauptleuten auch in der nächsten Zeit ein Faktor der Innenpolitik sein".
In den Bundesgremien der FPÖ bleibe Haider statutengemäß "so verankert wie in der Vergangenheit auch", erklärte Haupt nach einem Bericht der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Zum Rücktrittsangebot von Haider sagte der Parteichef, der Landeshauptmann habe sich lediglich den Parteigremien gestellt. Dabei habe er einen "überzeugenden Vertrauensbeweis" erhalten.
Haupt kündigte an, dass die FPÖ ungeachtet der schweren Wahlniederlage bereit ist, sich wieder an einer Regierung zu beteiligen. Grundsätzlich wolle die Partei Gespräche mit allen Parteien führen, sagte Haupt. In der Praxis kommt dafür allerdings nur die ÖVP in Frage, denn die Sozialdemokraten (SPÖ) und die Grünen haben bislang ein Bündnis mit der FPÖ abgelehnt. Bei den Nationalratswahlen am Sonntag hatte die FPÖ zwei Drittel ihrer Wählerschaft verloren. Sie erhielt nur noch zehn Prozent der Stimmen.
"Die Schuld trägt Rot-Grün "
Nach Ansicht der Union ist die rot-grüne Bundesregierung in Berlin für das schlechte Abschneiden ihrer Schwesterparteien bei den Nationalratswahlen in Österreich mitverantwortlich. "Das rot-grüne Chaos in Deutschland war abschreckendes Beispiel für die Wähler in Österreich", sagte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos in Berlin.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gratulierte seinem österreichischen Amtskollegen zu dessen Wahlsieg. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Gernot Erler zeigte sich erfreut über das Abschneiden der FPÖ. Schüssel habe dazu beigetragen und davon profitiert. "Die große Zeit des Rechtspopulismus scheint vorbei", sagte Erler.
Das Wahlergebnis
Nach dem vorläufigen offiziellen Endergebnis erhielt die ÖVP 42,3 Prozent der Stimmen - ein Plus von 15,4 Prozent. Der Zuwachs für die ÖVP ist der größte für eine Partei in der österreichischen Nachkriegsgeschichte.
Die SPÖ legte um 3,8 auf 36,9 Prozent zu. Die FPÖ verlor 16,7 Prozent und kam lediglich auf 10,2 Prozent. Die Grünen erreichten 9,0 Prozent (plus 1,6). Die Beteiligung lag wie bereits 1999 bei rund 80 Prozent. Gewählt wurden 183 Abgeordnete für den Nationalrat.
Quelle: ntv.de