Bürgerdialog gegen Politikverachtung Schwarz-Rot sucht das Wichtige im Leben
13.04.2015, 19:59 Uhr
Gabriel und Merkel wollen wissen, was das Volk denkt.
(Foto: dpa)
Für die Kanzlerin sind Gesundheit, Familie und Freunde das Wichtigste - und für Sigmar Gabriel seine Töchter. Jetzt will die Regierung herausfinden, was für die Deutschen im Leben zählt. Kritiker befürchten: Es geht nur um "Pseudo-Beteiligung".
Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel haben einen offenen Bürgerdialog für mehr Lebensqualität in Deutschland gestartet. "Wir kennen die Antwort nicht. Und wir geben uns sogar Mühe, nicht zu glauben, dass wir sie kennen. Wir sind einfach nur neugierig", sagte Merkel in Berlin gemeinsam mit Vizekanzler Gabriel zum Auftakt einer monatelangen Reihe von rund 150 Veranstaltungen unter dem Motto "Gut leben in Deutschland - Was uns wichtig ist".
Schwarz-Rot will herausfinden, was für die Menschen in Deutschland Lebensqualität bedeutet, und die Regierungspolitik danach zumindest teilweise ausrichten. Mit den Foren will die Bundesregierung auch gegen eine verbreitete Politikverdrossenheit angehen.
Merkel wie Gabriel hielten Kritikern entgegen, es handele sich bei der Aktion nicht um Wohlfühlveranstaltungen. Zwar würden die Ergebnisse von unabhängigen Wissenschaftlern ausgewertet, damit sie nicht "durch die Parteibrille gefärbt" würden, sagte die Kanzlerin. Aber selbst bei einer neutralen Aufarbeitung würden am Ende konkurrierende Vorstellungen herauskommen, die politisch entschieden werden müssten. "Es soll nicht alles auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden", betonte die Kanzlerin. Gabriel sagte, am Ende werde sicherlich "keine Konsenssoße" herauskommen.
Bürgerdialog als Vorbild
Mit dem Bürgerdialog knüpft die Regierung an den Zukunftsdialog an, den es unter Schwarz-Gelb in der vergangenen Legislaturperiode gegeben hatte. Dabei hatte Merkel mit Experten und Bürgern einen Dialog zu Grundsatzfragen der kommenden Jahre geführt.
Eine zentrale Rolle bei dem am Montag gestarteten Bürgerdialog bilden die Volkshochschulen. Bundesweit 28 dieser Einrichtungen organisieren 100 Veranstaltungen und sind damit der größte Gastgeber. "Wenn sich die Politik für die Meinung des Bürgers interessiert, dann interessiert sich der Bürger auch wieder für Politik", erklärte die Präsidentin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, Rita Süssmuth. Dafür würden neue Formate und Orte gebraucht, fügte die frühere Bundestagspräsidentin hinzu.
Die Opposition reagierte mit Skepsis auf den Bürgerdialog. Aus ihren Gesprächen mit Bürgern wisse sie "auch ohne Kampagne, wo vielen der Schuh drückt", erklärte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). "Die Armut nimmt zu, die Mieten explodieren, der Osten bleibt benachteiligt." Immer mehr "Bürger wähnen sich ohnmächtig, von der Politik übergangen".
Es sei zwar löblich, "wenn Angela Merkel und Sigmar Gabriel beweisen wollen, dass sie auch zuhören können", erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. Doch sie müssten sich an ihren Taten messen lassen. "Wir werden es ihnen nicht durchgehen lassen, wenn der Bürgerdialog nichts weiter ist als die Fortsetzung der Merkelschen Politik des Einlullens."
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa