Politik

"Zeit der Höflichkeiten vorbei" Schwierige Islam-Konferenz

Die Islam-Konferenz zur besseren Integration von Muslimen tritt wegen anhaltender Meinungsverschiedenheiten auf der Stelle. Nach dem zweiten Treffen zwischen Vertretern des Staates und der Muslime in Berlin stritten beide Seiten weiter über die Anerkennung der Verbände als Sprecher der etwa 3,3 Millionen Muslime in Deutschland.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, die auf drei Jahre angelegte Konferenz sei schon für sich ein Erfolg, weil sie den Dialog organisiere. Konkrete Ergebnisse erbrachte die gut dreistündige Veranstaltung jedoch offenbar nicht.

Meinungsverschiedenheiten

Mehrere Teilnehmer machten deutlich, dass es klare Meinungsverschiedenheiten gegeben habe. "Wichtig ist bei allem Streit, dass wir vorankommen", sagte Schäuble, der die Konferenz im vergangenen September ins Leben gerufen hatte. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erklärte, nachdem sich alle Beteiligten besser kennen gelernt hätten, gelte: "Die Zeit der Höflichkeiten ist vorbei."

Zu den genauen Streitfragen gab es zunächst keine Angaben. In den Arbeitsgruppen der Konferenz geht es um die Teilnahme von Mädchen am Sportunterricht, um die Frage des Kopftuchs und das Vorgehen gegen islamistische Extremisten.

Schäuble sagte, der Dialog in der Konferenz sei der richtige Weg zur bessere Integration. Er beruhe auf der Erkenntnis, dass die Muslime Deutschland veränderten und selbst verändert würden. Körting hob als Erfolg hervor: "Alle Teilnehmer gehen vom säkularen Staat des Grundgesetzes aus."

Streit um KRM

Die Anerkennung der Verbände als legitime Sprecher der Muslime in Deutschland blieb strittig. Schäuble bestritt erneut dem neuen "Koordinierungsrat" (KRM) aus vier Verbänden den Anspruch, für alle Muslime aufzutreten. "Natürlich können die, die zehn, vielleicht 15 Prozent der Muslime in Deutschland vertreten, nicht behaupten: Wer nicht durch mich vertreten ist, kann überhaupt nicht für den Islam sprechen."

KRM-Sprecher Axel Ayyub Köhler warf Schäuble vor, seinen Verband kleinzureden. Er sei als Vertreter von 85 Prozent der Moscheegemeinden legitimiert.

Die SPD-Migrationsexpertin Lale Akgün warnte davor, dem KRM eine Vertreterrolle zuzuerkennen: "Ich sehe große Schwierigkeiten auf uns zukommen, wenn solche konservativen Verbände für alle Muslime in Deutschland sprechen", sagte sie bei n-tv. "Es ist wichtig, dass auch diejenigen eine Stimme haben und diese Stimme auch erheben, die nicht dem Koordinierungsrat angehören", sagte die Integrationsbeauftragte der Regierung, Maria Böhmer.

Verfassungsschutz warnt vor Integrationsdefiziten

Unterdessen veröffentlichte das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln ein Dossier zur Lage junger muslimischer Zuwanderer der zweiten und dritten Generation in Deutschland. Unter ihnen seien Demütigungsgefühle, Diskriminierungs-Erfahrungen und Misserfolgs-Erlebnisse verbreitet, heißt es in der Untersuchung. Daraus resultierender "Frust, Wut, oder gar Hass auf die deutsche Gesellschaft" könne dazuführen, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen radikalisiert würden, heißt es in dem Dossier "Integration als Extremismus- und Terrorismusprävention".

In abgeschotteten Zuwanderer-Quartieren könne es auch zur "Entwicklung von Gegenkulturen zum Leitbild einer offenen Gesellschaft" kommen. Laut Verfassungsschutz bietet sich den islamistischen Organisationen dadurch eine Angriffsfläche. Unter den mehr als 2.000 Moscheen, Islamischen Zentren oder Gebetsräumen in Deutschland seien einige auch von Islamisten frequentiert oder ideologisch beeinflusst. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes haben sich etwa 32.000 oder ein Prozent der in Deutschland lebenden Muslime islamistischen Organisationen angeschlossen.

"Alle bislang vorliegenden Erkenntnisse und Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Integrationsdefizite zu den maßgeblichen Motivationsfaktoren im islamistischen Radikalisierungs- und Rekrutierungsprozess zählen", bilanziert das Papier. "Parallelgesellschaftliche Strukturen können Ansatzpunkte für die Entstehung islamistischer Milieus sein, Integrationsdefizite müssen zu den Motivationsfaktoren für Radikalisierung gezählt werden." Islamistische Propaganda versuche, mit einfachen Botschaften zu locken. Das Gedankengut werde etwa über Erziehungs- oder Bildungsangebote islamistischer Organisationen, über in Europa ausgestrahlte TV-Programme vor allem arabischer Fernsehsender oder auch über das Internet angeboten.

Quelle: ntv.de

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