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Berlin kann es doch Sechs Lehren aus der Wahl

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Das Rote Rathaus hinterm Brandenburger Tor. Regiert dort künftig Kai Wegner?

Das Rote Rathaus hinterm Brandenburger Tor. Regiert dort künftig Kai Wegner?

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Zahlen sprechen keine klare Sprache nach der Wahl in Berlin. Die CDU gewinnt und doch gäbe es noch eine Mehrheit für Rot-Grün-Rot. Aber was heißt das jetzt? Sechs Lehren aus einem spannenden Wahltag.

1. Das war eine Protestwahl

Es ist der CDU und ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner zu gönnen, dass sie nach diesem Wahlergebnis feiern. Den Wahlsieg mit 28 Prozent geholt zu haben, das ist stark, keine Frage. Aber auch diesen Erfolg sollte die Partei nicht mit neu erwachter Liebe der Berliner verwechseln. Diese Wahl war vor allem eine Protestwahl. Protest dagegen, nach 2021 schon wieder wählen zu müssen, Protest gegen die Angst, keine Wohnung mehr zu finden oder auch Protest dagegen, dass man manchmal einen freien Tag braucht, um sich einen Termin beim Bürgeramt zu besorgen. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat am Wahlabend mehrfach betont, dass sie all diese Probleme in anderthalb Jahren gar nicht lösen konnte. Trotzdem dürfte vielen Wählern bei all dem die SPD eingefallen sein. Denn die regiert die Stadt seit mehr als 20 Jahren.

2. Für die SPD endet in Berlin eine Ära - für die CDU auch

Die SPD-Regentschaft seit 2001, zunächst mit Klaus Wowereit an der Spitze, danach dem eher blassen Michael Müller, sie war für Franziska Giffey kein leichtes Erbe. Denn so schön es für eine Partei gewesen sein mag, so lange am Stück zu regieren, es häuften sich die Fehler. Dass es mit der Ära der SPD im Roten Rathaus vorbei sein könnte, kündigte sich schon bei den letzten beiden Wahlen an. Giffey konnte diesen Abwärtstrend nicht brechen. Es ist zwar möglich, dass sie mit Grünen und Linken weiterregiert. Aber angesichts des Erfolgs der CDU wäre das nur schwer vermittelbar. Am Ende steht das historisch schlechteste SPD-Ergebnis in Berlin.

Genau dieser Erfolg ist für die CDU das Ende eines zwei Jahrzehnte währenden Gangs durch die Wüste. Reihenweise unterlagen ihre Kandidaten gegen Wowereit, Müller und vor anderthalb Jahren auch Giffey. Übrigens auch der strahlende Sieger dieses Sonntags: Im September 2021 holte Kai Wegner auch nur 18 Prozent und damit geringfügig mehr als sein Vorgänger 2016. Trotzdem ist jetzt alles anders. Die CDU hat gewonnen und das auf überzeugende Art und Weise. Sie ist wieder wer in Berlin - auch wenn der abgestrafte Senat immer noch auf rund 50 Prozent der Stimmen kommt. Sollte Wegner einen Koalitionspartner finden, muss er etwas aus diesem Vertrauensvorschuss machen. Sonst kommt die nächste Protestwelle und die könnte ihn dann gleich wieder aus dem Roten Rathaus heraus spülen.

3. Die Grünen halten sich wacker

War das nun ein erfolgreicher Abend für die Grünen? Einerseits sind sie die Regierungspartei, die am wenigsten verlor und sind nun gleichauf mit der SPD. Nur 105 Stimmen beträgt der Abstand zu Giffeys Partei. Sollte die bisherige Koalition ihre Arbeit fortsetzen, bekämen die Grünen stärkeres Gewicht. Positiv ist auch, dass es für die Grünen laut Umfragen schlechter hätte kommen können. Fakt ist: Die Grünen-Wähler blieben bei der Stange, das Rekordergebnis von 2021 wurde fast wieder erreicht. Doch angetreten war Jarasch mit dem Ziel, Regierende Bürgermeisterin zu werden. Das erscheint nach dem Wahlausgang aussichtslos.

4. Die FDP ist endgültig in der Krise, Linke atmen durch

Was für ein Tiefschlag für die FDP - die Liberalen scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde und sind im künftigen Abgeordnetenhaus nicht mehr vertreten. Das ist besonders bitter, weil sie bei der Wahl im September 2021 noch 7,1 Prozent geholt hatten. Das wirft Fragen auf, deren Antwort ebenfalls in Berlin liegen könnte. Allerdings eine Etage höher, auf Bundesebene. Die Ampelkoalition scheint der FDP nicht zu bekommen. Es ist die fünfte Wahl in einem Bundesland, die mit langen Gesichtern endet. Saarland (Wiedereinzug verpasst), Schleswig-Holstein (aus der Regierung geflogen), Nordrhein-Westfalen (aus der Regierung geflogen, Ergebnis halbiert) und Niedersachsen (aus dem Landtag geflogen) endeten mies. Klar ist: Für die Berliner FDP beginnen harte drei Jahre, bis 2026 wieder gewählt wird.

Die Linke dagegen atmet durch. Auf Bundesebene taumelt sie zwar am Abgrund, doch die Hochburg Berlin, oder besser gesagt: Ost-Berlin, die steht. Die gut 12 Prozent sind zwar kein Glanzstück, aber wie Spitzenkandidat Klaus Lederer sagte, ist es für die Partei eine gute Nachricht, dass Berlin stabil bleibt, während es anderswo im Land düster aussieht. Größte Hoffnung der Roten ist nun eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot oder auch Grün-Rot-Rot. Denn eine andere Machtperspektive gibt es nicht.

5. Die AfD bleibt die AfD

Auch diese Wahl bestätigt: Die AfD hat sich etabliert und wird vorerst nicht aus der politischen Landschaft verschwinden. Rund einen Prozentpunkt gewinnt die mittlerweile in weiten Teilen rechtsradikale Partei hinzu. Bemerkenswert ist dabei, dass sie nicht stärker von den Krawallen in der Silvesternacht oder von den anderen Problemen der Stadt profitierte: weder von der Inflation, den hohen Mieten oder auch der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge. Die AfD bleibt, wo sie war. Nicht mehr, nicht weniger.

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6. Die verpatzte Wahl war ein Ausrutscher

Was anderswo keine Nachricht wäre, ist in Berlin auf eine Art die wichtigste des Abends: Die Hauptstadt kann doch Wahlen organisieren. Nach der Pleiten-Pech-und-Pannen-Abstimmung vom September 2021 ging die Angelegenheit dieses Mal weitgehend reibungslos über die Bühne. Die Abwesenheit von Problemen hatte ihren Preis - 39 Millionen Euro, um genau zu sein. 240 Euro bekamen Wahlhelfer für ihren Einsatz. Wovon sich allerdings weniger Wählende ein Bild machten. Die Beteiligung sank von 75,4 Prozent beim letzten Mal auf 65 Prozent. Die mussten dafür dann aber nicht sehen, dass hier und da eine Mülltonne als Wahlurne diente oder die Wahlkabine aus Pappe bestand. Aber hey, dit is Berlin, wa?!

Quelle: ntv.de

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