"Ich bin einfach froh" Seehofer am Ziel
25.10.2008, 16:33 UhrDer neue CSU-Chef Horst Seehofer will seine geschwächte Partei mit frischem Kampfgeist und einer harten Gangart gegen die CDU wieder zur alten Stärke führen. Vier Wochen nach dem Desaster bei der Landtagswahl wählte ein Sonderparteitag den bisherigen Bundesagrarminister in München mit 90,3 Prozent zum Nachfolger von Erwin Huber. Seehofer beschwor die Geschlossenheit der Christsozialen. "Wir sind ein Kraftpaket als CSU", rief er. Mit überwältigender Mehrheit nahmen die Delegierten den Koalitionsvertrag mit der FDP an. Die CSU braucht erstmals seit 46 Jahren einen Regierungspartner.
Seehofer soll am Montag im Landtag dann zum Nachfolger von Ministerpräsident Günther Beckstein gewählt werden. "Mein Arbeitsplatz ist künftig möglicherweise München", sagte er. "Aber meine Kampfkraft wird sich auch auf Berlin erstrecken." Nach dem klaren Vertrauensbeweis durch die Wahl betonte der Vorsitzende: "Den Leuten den Stolz zurückzugeben, das ist immer die wichtigste Aufgabe." Die CSU solle dafür "missionarisch" ins Land ziehen. Koalitionen müssten in Bayern ein einmaliges Ereignis bleiben. Ziel sei, die Alleinherrschaft zurückzuerobern.
Dämpfer für Ramsauer
Der neue Parteichef erhielt 786 von 870 gültigen Stimmen. Das sind 90,3 Prozent. 84 Delegierte stimmten mit Nein. 55 der insgesamt 939 Delegierten verzichteten aber auf die Abgabe ihrer Stimme. 14 Stimmen waren zudem ungültig. Gerechnet auf die Gesamtzahl der Delegierten wäre Seehofer demnach nur auf knapp 84 Prozent gekommen. Einen deftigen Dämpfer erhielt der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, bei der Wahl zum Parteivize. Er erhielt nur gut 67 Prozent der Stimmen. Ramsauer nimmt im Vorstand den Platz von Seehofer ein. Die Basis wirft der Landesgruppe mangelnden Einsatz für die Forderung nach der Rückkehr zur alten Pendlerpauschale vor.
"Schwierige Mission"
Im Interview bei n-tv zeigte sich Seehofer nach seiner Wahl höchst zufrieden. "Wir haben ja sehr, sehr turbulente Wochen hinter uns und jeder weiß, dass ich mir auch eine eigene Meinung leiste. Das beides zusammen ist nicht unbedingt Voraussetzung für so ein Ergebnis. Aber ich bin einfach froh", erklärte er. Als eine seiner wichtigsten Aufgaben bezeichnete der frisch gebackene Parteichef seine "schwierige Mission", nach den Zerwürfnissen durch die Wahlschlappe der CSU "heute einen Anfang zu machen, die verschiedenen Volksstämme Bayerns - die Franken, die Altbayern, die Schwaben, die Heimatvertriebenen – zusammenzuführen".
Seehofer machte im Rückblick auf das schlechte Abschneiden bei der Landtagswahl die Selbstzufriedenheit mit dem Erfolg verantwortlich. "Es ist bei uns Menschen so, wenn man Erfolg hat, dass man dann mitunter die Bodenhaftung verliert, nicht mehr bereit ist, richtig zuzuhören und zu glauben, man könnte Macht ausüben", sagte der CSU-Chef bei n-tv. Die Zweidrittelmehrheit habe das "Gefühl der Arroganz" bei den Menschen erzeugt.
Mammutaufgabe für Seehofer
Die CDU gratulierte Seehofer zu seiner Wahl. Er habe "einen beeindruckenden Rückhalt in seiner Partei erfahren", sagte CDU- Generalsekretär Ronald Pofalla. Der Parteitag habe gezeigt, "dass die CSU stark und geschlossen ist". Die CDU freue sich auf eine weiterhin vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit ihrer Schwesterpartei CSU. Seehofer selbst sieht sich vor einer Mammutaufgabe. "Es geht jetzt Schlag auf Schlag", betonte er mit Blick auf das kommende Wahljahr. "Ich glaube, dass wir uns jetzt darauf konzentrieren müssen, für 2009 bei der Europawahl und bei der Bundestagswahl gemeinsam ein gutes Ergebnis zu erzielen. Dafür brauchen wir in Bayern 50 Prozent und im Bund 40 Prozent", erklärte Pofalla bei n-tv.
Ärger über CDU
In der Parteiführung und an der Basis der CSU machte sich auf dem Parteitag massiver Ärger über eine mangelnde Wahlkampf-Unterstützung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die von ihr geführte CDU Luft. Huber und Seehofer attackierten die Schwesterpartei massiv. Huber sagte, die CDU habe die Steuerentlastungspläne der CSU im Landtagswahlkampf zunächst als unrealistisch abgelehnt, eine Woche nach der Wahl aber ein Milliarden-Entlastungspaket bekanntgegeben. Seehofer betonte, der anfängliche CDU-Widerstand gegen das CSU-Konzept "Mehr Netto für alle" könnte Stimmen gekostet haben. Auch bei der Erbschaftsteuer-Reform werde die CSU ihren harten Kurs gegen CDU und SPD fortsetzen.
Pfiffe für Stoiber
Huber warnte die CSU mit Blick auf das Ende ihrer jahrzehntelangen Alleinherrschaft in Bayern: "Mut zur Entscheidung (...) darf nicht überschnappen in Übermut und schon gar nicht in Hochmut." Zugleich räumte er eine Mitschuld am Wahldebakel ein. Es habe "Fehler und Unzulänglichkeiten" gegeben. Beckstein sagte: "Natürlich habe ich auch selber Fehler gemacht." Er wurde mit minutenlangem Beifall gefeiert. Buhrufe und Pfiffe erntete dagegen Ex-Regierungschef Edmund Stoiber. Viele CSU-Mitglieder machen dessen Politik für den Absturz bei der Landtagswahl auf 43,4 Prozent mitverantwortlich.
SPD-Chef Franz Müntefering kritisierte unterdessen, die geplante Wahl Seehofers zum Ministerpräsidenten sei "unter demokratie-theoretischen Gesichtspunkten grenzwertig", da Seehofer bei der Landtagswahl nicht zur Wahl gestanden habe.
Quelle: ntv.de