"Erst Ordnung, dann Humanität" Seehofer lobt griechische Grenzschützer
04.03.2020, 19:05 Uhr
"Erst die Ordnung, dann die Humanität": Deutschland stärkt Griechenland den Rücken.
(Foto: picture alliance/dpa)
Tausende Flüchtlinge harren weiter an der türkisch-griechischen Grenze aus. Innenminister der EU-Staaten treffen sich in Brüssel, um die Lage zu besprechen. Forderungen der Grünen, 5000 Flüchtlinge nach Europa zu holen, erteilt Innenminister Seehofer eine Absage.
Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht keinen Grund für Kritik am Vorgehen Griechenlands wegen der hohen Flüchtlingszahlen an seinen Grenzen. Dass Athen einen Monat keine Asylanträge mehr bearbeiten wolle, sei angesichts der besonderen Situation "in Ordnung", sagte Seehofer bei einem Sondertreffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. "Griechenland erledigt für ganz Europa eine ganz wichtige Aufgabe, nämlich den Schutz unserer Außengrenzen." Und dies mache das Land "sehr gut".
Die Innenminister wollen bei ihrem Treffen Solidarität gegenüber Athen zeigen und über Möglichkeiten der Unterstützung beraten. Um die Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen aus Griechenland gehe es noch nicht, sagte Seehofer. Zunächst müsse die Lage stabilisiert werden. "Das ist heute das Wichtigste." Danach würden sich die EU-Staaten "zeitnah" der Frage von Kindern und Jugendlichen in den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland zuwenden.
Laut dem griechischen Vize-Minister für Migration, Georgios Koumoutsakos, gibt es derzeit 5000 unbegleitete Minderjährige unter den Flüchtlingen in Griechenland. Athen bereite in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission eine Konferenz vor, um das Problem anzugehen, sagte der Minister. Sie könne möglicherweise im Mai stattfinden.
Grüne für Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland
Wegen der Eskalation des militärischen Konflikts in Nordsyrien hält die Türkei seit dem Wochenende Flüchtlinge nicht mehr davon ab, von ihrem Territorium aus in die EU zu gelangen. Griechische Sicherheitskräfte hinderten seitdem Zehntausende Migranten daran, über die Grenze zu kommen. Um der Lage Herr zu werden, kündigte Athen an, einen Monat lang keine neuen Asylanträge mehr anzunehmen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte dazu am Montag erklärt, es gebe keine rechtliche Grundlage für Griechenland, die Annahme von Asylverfahren auszusetzen.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn kündigte bereits an, sein Land wolle zehn Kinder oder Jugendliche aus dem überfüllten Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos aufnehmen. Die Lage sei dort "grauenvoll", sagte er und forderte andere Länder auch zur Aufnahme Minderjähriger auf. Asselborn schlug vor, dass jedes EU-Land pro einer halbe Million Einwohner zehn jugendliche Flüchtlinge aus Griechenland aufnimmt.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock bekräftigte in den Funke-Zeitungen noch einmal ihre Forderung nach Aufnahme von 5000 Flüchtlingen von den griechischen Inseln. "Wenn man illegale Grenzüberschreitungen verhindern will, muss man legale Zugangswege für Flüchtlinge nach Europa schaffen", sagte sie.
Flüchtlingshelfer: Deutschland soll vorangehen
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl forderte, nicht nur Kinder sondern alle Flüchtlinge von den griechischen Inseln zu holen. "Angesichts des humanitären Notstandes ist ein groß angelegtes Aufnahmeprogramm aus Griechenland notwendig", erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Flüchtlinge müssten auf das griechische Festland und von dort "schnellstmöglich in andere EU-Mitgliedstaaten überstellt werden". Das internationale Kinderhilfswerk Terre des Hommes verlangte, anstatt den "schäbigen EU-Türkei-Deal fortzusetzen und die EU-Grenzen gewaltsam gegen Menschen auf der Flucht abzuschotten, muss die Bundesregierung die Initiative ergreifen". Deutschland dürfe nicht darauf warten, dass sich alle 27 EU-Mitgliedstaaten auf ein einheitliches Vorgehen einigen.
Dagegen betonte die Bundesregierung die Notwendigkeit einer europäischen Regelung. Deutschland werde "nur im europäischen Verbund agieren und nicht isoliert", sagte ein Sprecher Seehofers in Berlin. "Es wird keine deutsche Alleinentscheidung geben, sondern es ist erforderlich, dass sich mehrere Mitgliedstaaten darüber verständigen", sagte der Sprecher des Innenministeriums weiter.
"Geordnete Verhältnisse" an der europäischen Außengrenze seien die Voraussetzung für die Lösung humanitärer Probleme. Wenn die europäische Außengrenze ihre Funktion nicht erfülle, "kann man nicht gleichzeitig in unmittelbarer Nähe der EU-Außengrenze darüber entscheiden, dass Leute verteilt werden". Dann sei zu befürchten, "dass die frei werdenden Kapazitäten sofort durch ungesteuerte und unkontrollierte Migration wieder aufgefüllt werden", argumentierte Seehofers Sprecher weiter. Zu Schleswig-Holstein, das Aufnahmebereitschaft signalisiert hatte, sagte er: "Aufnahmeentscheidungen sind durch den Bund oder zumindest im Einvernehmen mit dem Bund zu treffen."
Quelle: ntv.de, uzh/mau/AFP/dpa