GroKo wider Willen? Seehofer mobbt Schulz jetzt schon
07.02.2018, 17:17 Uhr
Seehofer, Merkel und Schulz auf ihrer ersten Pressekonferenz nach den Koalitionsverhandlungen.
(Foto: dpa)
Die Chefs von CDU, CSU und SPD geben ihre erste Pressekonferenz nach den Koalitionsverhandlungen. Die Stimmung: beklemmend. Gut gelaunt wirkt trotz Müdigkeit nur Seehofer – und lässt das die anderen spüren.
Eigentlich wäre dies der Moment für Großmut. Doch Horst Seehofer, der designierte Chef in einem neu zugeschnittenen Super-Innenministerium, ist alles andere als ein guter Gewinner.
Die erste Pressekonferenz der Parteichefs von CDU, CSU und SPD nach den erfolgreichen Koalitionsverhandlungen: Martin Schulz versucht seiner Partei irgendwie schmackhaft zu machen, dem Verhandlungsergebnis bei der anstehenden Mitgliederbefragung zuzustimmen. Und Schulz ist offensichtlich in Not. Er spricht viel länger als die beiden anderen Parteichefs, er versucht jeden Verhandlungserfolg ganz groß erscheinen zu lassen. Schulz behauptet, dass der Koalitionsvertrag eine klare "sozialdemokratische Handschrift" trage. Und was macht Seehofer, der künftig die Regierungsbank mit dem Sozialdemokraten drücken soll?
Seehofer grinst. Die Antwort auf die Frage, wessen Handschrift dieser Koalitionsvertrag trage, spare er sich lieber für den politischen Aschermittwoch auf, sagt er. "Heute bin ich noch nicht richtig ausgeschlafen."
Nun hat niemand erwartet, dass ausgerechnet Horst Seehofer den SPD-Chef päppelt. Ihn in dieser Situation so vorzuführen lässt allerdings erahnen, wie schwierig die Zusammenarbeit in einer neuen GroKo werden könnte, sollte es Schulz tatsächlich gelingen, die Mitgliederbefragung zu gewinnen.
Weitere Reibereien sind programmiert
Ganz anders als Schulz sieht Seehofer keinen großen Bedarf, seiner Anhängerschaft den Koalitionsvertrag ausufernd schmackhaft zu machen. Er sagt, das Ergebnis der Verhandlungen sei ein Signal des "Wir haben verstanden". Es mache deutlich, dass es ein "Weiter so" nicht geben werde. Ansonsten ist Seehofers Rede vor allem eines: kurz. "Passt scho", sagt er.
Wie stark die Christsozialen das Programm der GroKo prägen, ist ja auch allzu offensichtlich. Obergrenze, Härte beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus und finanzielle Präsente für Familien aus Deutschland. Und als kleines Extra: Seehofers neuer Posten in Berlin.
Schulz wirkt dagegen abgekämpft, ein Lächeln muss er sich geradezu abringen. Zwar soll er Außenminister werden, den Parteivorsitz der SPD allerdings an Andrea Nahles abgeben. Sollte die GroKo scheitern, wäre es als wahrscheinlich schon wieder vorbei mit seiner kurzen bundespolitischen Karriere. Von Mister 100 Prozent, dem SPD-Kanzler in spe zum Aussortierten – innerhalb eines Jahres.
Klappt es dagegen mit der GroKo, sind weitere Reibereien mit Seehofer nicht unwahrscheinlich. Vielleicht wird Seehofer, ist er erst einmal eingebunden in das Bundeskabinett, milder. Es liegt aber nahe, dass er jedwede Zurückhaltung fahren lassen dürfte, wenn es für die CSU im Landtagswahlkampf in Bayern nicht gut läuft. Unklar ist, wie sich die Stellung von Schulz entwickelt, wenn er erstmal Minister ist. Lebt er auf, wie so viele Chefs im Auswärtigen Amt vor ihm, oder bleibt er angeschlagen - und dann vielleicht auch entsprechend angriffslustig?
Wo bleibt der Markenkern der CDU?
Kanzlerin Angela Merkel wirkt auf der gemeinsamen Pressekonferenz vor allem um eines bemüht: den Laden irgendwie zusammenzuhalten. Der Koalitionsvertrag sei die "Grundlage einer guten und stabilen Regierung", sagt sie. Ihre CDU habe sich in den Verhandlungen immer wieder um die Balance bemüht. Zum Beispiel beim Thema Migration. Humanität einerseits, Steuerung und Kontrolle andererseits, so das Motto.
Merkel spricht dann viel davon, die Infrastruktur im Lande voranzubringen, von "neuen Dynamiken". Sonderlich konkret ist sie dabei aber nicht. Wirklich heraus sticht vor allem ein Satz der Kanzlerin. "Solide Finanzen sind unser Markenzeichen." Merkel spielt auf den früheren Finanzminister Wolfgang Schäuble an. Doch der ist im Kabinett Geschichte. Das Finanzministerium wird die SPD übernehmen.
Die Kanzlerin muss denn auch den Eindruck abwehren, dass der Markenkern ihrer CDU nur noch daraus besteht, irgendwie eine Regierung zu bilden. Eine Journalistin verweist auf einen CDU-Politiker, der witzelte, die Partei könne froh sein, dass sie in diesen Verhandlungen nicht auch noch das Kanzleramt verloren habe. Merkels Reaktion? Sie spricht über "Kompromisse in der Sache" und "Kompromisse bei Ressorts". Jetzt, so Merkel, komme es darauf an, aus den Ministerien, die die CDU bekommen habe - Wirtschaft, Landwirtschaft, Forschung, Entwicklung, Gesundheit und Pflege - "das Richtige" zu machen.
Quelle: ntv.de