Ämter statt Inhalte Wie gut hat die SPD verhandelt?
07.02.2018, 13:45 Uhr
Gleich drei Schlüsselressorts gehen an die SPD. Außerdem bekommen die Sozialdemokraten drei weitere Ministerien. Dafür musste die Partei einige Kompromisse eingehen. Das Ergebnis muss die Parteibasis überzeugen.
Dass die SPD bei den Koalitionsverhandlungen eines der wichtigen Ressorts Außen oder Finanzen besetzen würde, galt als gesetzt. Doch im Laufe des Morgens kam die Überraschung: Die SPD wird nicht nur sowohl den Außen- als auch den Finanzminister stellen, sondern auch die Minister für Arbeit und Soziales, Justiz und Umwelt. Nur zur Erinnerung: Die SPD hat bei der Wahl nur knapp über 20 Prozent der Stimmen geholt und stellt nach aktuellem Stand sechs Minister, darunter drei in Schlüsselpositionen. Hat die SPD also richtig gut verhandelt?
Die Sozialdemokraten mussten einen Preis für die einflussreichen Ressorts zahlen. Wie hoch dieser genau war, bleibt noch abzuwarten. Doch es zeichnet sich schon eine Marke ab. Die SPD wollte in drei Bereichen nachverhandeln: Die sachgrundlosen Befristungen sollten komplett abgeschafft werden, erste Schritte hin zu einer Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin – Stichwort Bürgerversicherung – sollten kommen und die Partei wollte noch etwas beim Familiennachzug rausholen. Darum wollten sie "verhandeln, bis es quietscht", wie Fraktionschefin Andrea Nahles es angekündigt hatte.
Der Familiennachzug wurde schon vergangene Woche abgearbeitet. Mit dem Ergebnis, dass die SPD nichts mehr erreichen konnte. Es bleibt bei den im Sondierungspapier getroffenen Beschränkungen: maximal 1000 Angehörige pro Monat plus Härtefälle (für die es jedoch schon zuvor eine Regelung gab). Um die beiden übrigen Themen wurde nun im Finale der Koalitionsverhandlungen gerungen. Das Resultat: Sachgrundlose Befristungen werden nicht komplett abgeschafft, wie es die SPD gefordert hatte. Stattdessen gibt es einen Kompromiss: Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten dürften nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. Kettenbefristungen sollen verhindert werden. Dazu sei geplant, dass eine Befristung nicht mehr möglich sei, wenn zuvor bereits für bis zu fünf Jahren eine befristete oder unbefristete Anstellung beim selben Arbeitgeber bestanden habe.
Köpfe statt Themen
Und im Bereich Gesundheit? Eine Kommission soll eingesetzt werden, die eine Angleichung der Arzt-Honorare von privat und gesetzlich Versicherten überprüft. Das ist nicht mehr als ein sehr kleiner Schritt in Richtung einer Beendigung der Zwei-Klassen-Medizin. Ob die Honorar-Angleichung am Ende eingeführt werde, hänge gar von der Machbarkeit ab, heißt es. Wie lange tagt die Kommission? Gibt es am Ende möglicherweise gar keine Änderung? Alles offen. Viel ist das nicht. Aber die SPD kann zumindest irgendetwas vorweisen.
Vieles spricht also dafür, dass der Preis für die sechs Ressorts inhaltliche Kompromisse mit nicht erheblichem Gewicht waren. Die Verbesserungsaufträge des Sonderparteitages konnte die Partei nicht in Gänze umsetzen. Fraglich ist, ob das die SPD-Basis überzeugt. Die Führung der Partei muss jetzt versuchen, ihren Mitglieder glaubhaft zu vermitteln, dass sie mit den richtigen Köpfen auf den richtigen Posten auch wirksam sozialdemokratische Politik machen kann und dafür nicht zwingend inhaltliche Erfolge in den Koalitionsverhandlungen nötig sind.
Das gilt auch für die beiden Minister, die offenbar schon gesetzt sind. Eigentlich hatte die SPD angekündigt, sie wolle erst nach der Mitgliederbefragung über Posten reden. Doch zwei Personalien scheinen schon gesetzt, auch wenn es noch keine offizielle Bestätigung gibt: Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz soll Finanzminister werden. Martin Schulz bekommt demnach den Posten als Außenminister. Er hatte einst nicht nur einer Großen Koalition eine Absage erteilt, er hatte auch ausdrücklich erklärt, nicht als Minister in einem möglichen GroKo-Kabinett zur Verfügung zu stehen. Es ist sein zweiter Wortbruch.
Hinzu kommt, dass er sich aus der Rolle des Erneuerers der SPD offenbar zurückziehen will. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, Fraktionschefin Andrea Nahles werde seinen Job als Parteichef übernehmen. Wie wird das bei den Mitgliedern ankommen? Könnte der Eindruck entstehen, dass sich Schulz der Verantwortung an der Parteispitze entziehen will? Oder könnte die Basis in dem langjährigen EU-Politiker die perfekte Besetzung für das wichtige Außenressort sehen? Das wird der Mitgliederentscheid zeigen, der wahrscheinlich am ersten Märzwochenende stattfinden soll.
Quelle: ntv.de