Das Ende der Schüchternheit Seehofer reizt die Kanzlerin
11.08.2013, 09:49 Uhr
Der CSU-Chef schaltet um auf Attacke.
(Foto: picture alliance / dpa)
Kaum etwas verfängt bei den Bayern mehr als Aufmüpfigkeit gegen die Zentrale in Preußen: Regelmäßig knöpft sich Landesvater Seehofer deshalb seine Schwesterpartei und Kanzlerin Merkel vor. Genau das wollte er im Wahlkampf eigentlich sein lassen. Doch dieses Versprechen hat er scheinbar vergessen.
Horst Seehofer weiß um das Gewicht seiner Partei. In weiten Teilen Deutschlands hat die Anziehungskraft der Union als Volkspartei stark gelitten. Nicht so in Bayern. Auch wenn die CSU ebenfalls um jede Stimme kämpfen muss, kann Seehofer getrost auftrumpfen. Neueren Umfragen zufolge dürfen die Christsozialen - auch dank schwacher Liberaler - auf eine absolute Mehrheit bei den Landtagswahlen im September hoffen.
Und wer Horst Seehofer kennt, der weiß: Befindet sich der Parteichef erst einmal auf einem Höhenflug, dann sind hehre Vorsätze schnell vergessen. Vor allem, wenn es sich um den Vorsatz handelt, sich mit Verbalattacken zurückzuhalten. Anfang Juli ließ Seehofer am Rande der Sommerklausur seiner Partei noch wissen: "Sie müssen jetzt einfach mit einem schüchternen Seehofer in den nächsten acht Wochen rechnen." Angriffe auf Schwesterpartei CDU und Kanzlerin Angela Merkel will er sein lassen. Denn Bundestags- und Bayern-Wahl seien "Schlüsselwahlen".
Kaum einen Monat dauert es, da beendet der "schüchterne" Seehofer seinen Schmusekurs. In einem Rundumschlag (wieder)eröffnet er mehrere Diskussionen. Darunter ist ein christsozialer Klassiker: die Pkw-Maut. "Ich unterschreibe als CSU-Vorsitzender nach der Bundestagswahl keinen Koalitionsvertrag, in dem die Einführung der Pkw-Maut für ausländische Autofahrer nicht drin steht", sagt er großspurig der "Bild am Sonntag". Eine durchaus populäre Forderung, das weiß Seehofer - bloß nicht bei Angela Merkel.
Auch in Hessen wird gewählt
Die Kanzlerin und die CDU verfolgen eine Pkw-Maut für Reisende explizit nicht. Entsprechenden Forderungen der CSU wurde schon mehrfach nicht entsprochen. Im "Bayernplan", dem Wahlprogramm der CSU, ist die Gebühr für Ausländer ein zentraler Bestandteil. Doch weder im CDU-Programm noch im gemeinsamen Papier für die Bundestagswahl findet es sich wieder. Merkel und Seehofer haben dies schon häufiger geklärt, bislang gilt das Machtwort der Chefin. Jetzt zu drohen, eine mögliche Koalition für diese Frage platzen zu lassen, ist harter Tobak.
Und weil Seehofer schon einmal dabei ist, setzt er noch eine Forderung hinzu. Laut "Spiegel" tingelt Seehofer mit der Aussage durch den Landtagswahlkampf in der bayerischen Provinz, eine Beteiligung der Bundesregierung bei der Klage gegen den Länderfinanzausgleich zur Koalitionsbedingung machen zu wollen. Für die CSU als eines der Geberländer ist auch das ein wichtiges Anliegen. In Bayern denken viele Menschen wie Seehofer. Solidarität mit den ärmeren Bundesländern ja, aber alles hat seine Grenzen. Gemeinsam mit Hessen - auch hier wird in wenigen Wochen gewählt - läuft daher seit März die Klage in Karlsruhe.
Was Seehofer von Merkel nun fordert, ist für die Kanzlerin unvorstellbar. Nicht nur, dass die Bundesregierung in der Auseinandersetzung zwischen Bundesländern keine eigenen Interessen verfolgt. Hinzu kommt: Merkel müsste als CDU-Chefin mit Ärger von Landesverbänden auch Nehmerländern rechnen, würde sie als Kanzlerin eine Beteiligung der Bundesregierung an der Klage forcieren. Nach Berlin sind etwa Sachsen und Sachsen-Anhalt die Länder, die am meisten vom Länderfinanzausgleich profitieren, beide Länder sind CDU-regiert.
Dass Merkel der Idee einer gemeinsamen Klage eine Absage erteilen wird, ist so logisch wie wahrscheinlich. Und es ist freilich von Seehofer so auch kalkuliert: Denn stellt sich die Kanzlerin aus dem Osten gegen die Interessen seines Bayern, dann nutzt das der CSU. Seehofer kann sich dann als nimmermüder Kämpfer für die Rechte seiner Leute inszenieren - ohne Merkel dafür direkt anzugehen. Angela Merkel wird dennoch sauer sein: In sechs Wochen sind Wahlen. Da hat sie vermutlich Besseres zu tun, als die Ideen des irrlichternden Bayern wieder einzufangen.
Quelle: ntv.de