"Intrigenspiel" Seehofer verlässt Deckung
24.01.2007, 15:35 UhrDer stellvertretende CSU-Vorsitzende Horst Seehofer geht auf offene Konfrontation gegen die Parteiführung und setzt bei der Bewerbung um den CSU-Vorsitz auf die Basis. Das Parteipräsidium habe mit seinem Intrigenspiel gegen Parteichef Edmund Stoiber die CSU in ihre bislang schwerste Krise gestürzt, sagte der Bundesagrarminister dem ZDF. So habe das Präsidium dem bayerischen Ministerpräsidenten zwar vor zwei Wochen einstimmig das Vertrauen ausgesprochen. Noch am selben Tag hätten einige Mitglieder dann aber Stoibers Ablösung in die Wege geleitet. "Was sind solche Solidaritätsbekundungen wert?"
Seehofer sprach von Intrigantentum unter den CSU-Führungsmitgliedern, das der Partei schade. "Das ist ein Bazillus, der darf in einer Partei nicht Platz greifen." Deshalb sei es für ihn sehr wichtig, dass er an der Basis Verbündete habe und dort auf eine Mehrheit setzen könne, betonte Seehofer.
"Ich bin für Bewegung"
Vor einem monatelangen Zweikampf mit dem bayerischen Wirtschaftsminister Erwin Huber um den CSU-Vorsitz schrecke er weiter nicht zurück. "Ich kandidiere", bekräftigte Seehofer. In den Krisengesprächen mit Stoiber am Freitag solle ausgelotet werden, ob es eine einvernehmliche und Erfolg versprechende Lösung gebe und ein monatelanger Wettstreit vermieden werden könne. Womöglich sei auch noch ein weiteres Krisentreffen nötig. Falls dennoch keine Lösung gefunden werden sollte, wäre eine Kampfkandidatur auf dem Parteitag Ende September auch kein Weltuntergang. "Das wäre keine Belastung für eine Partei, wenn die Debatte bis dahin vernünftig geführt wird."
Huber hatte sich mit dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein ohne Seehofers Zustimmung über die Stoiber-Nachfolge verständigt. Der Absprache zufolge soll Beckstein neuer Ministerpräsident werden und Huber neuer Parteivorsitzender.
Seehofer kündigte für den Fall eines Aufstiegs zum Parteichef an, in der Koalition in Berlin für weitere Reformen einzutreten. "Ich bin für Bewegung", betonte der 57-Jährige, der sich stets als das soziale Gewissen der Union präsentiert hat. Außerdem stellte er einen Generationenwechsel in der CSU in Aussicht. Bis zum Jahr 2010 solle in allen Parteigremien mindestens die Hälfte der Mitglieder jünger als 50 Jahre sein. "Wir müssen eine ganze Menge erneuern in dieser Partei."
Huber: Gesamtverantwortung beim Parteichef
Unterdessen hat Huber den Führungsanspruch des Parteivorsitzenden betont. Die Verantwortung könne zwar auf mehrere Schultern verteilt werden, sagte Huber am Mittwoch am Rande der CSU-Landtagsfraktionssitzung in München. Die "Gesamtverantwortung" sehe er aber beim Parteichef.
Stoiber hatte gesagt, aus dem designierten Führungsduo mit Huber als möglichem Parteichef und Beckstein als neuem Ministerpräsidenten könne man auch ein "Trio" machen.
Bürger halten zu Seehofer
Die große Mehrheit der Bundesbürger kann sich Seehofer trotz Berichten über eine angebliche außereheliche Affäre als CSU-Chef vorstellen. 72 Prozent sprechen sich in einer Forsa-Umfrage für den "Stern" dafür aus, dass er Parteivorsitzender werden könne, 21 Prozent sind dagegen. Die Zustimmung in Bayern ist laut Mitteilung vom Mittwoch noch größer: 76 Prozent glauben, Seehofer könne trotzdem CSU-Chef werden, 18 Prozent sagen, er solle dies nicht tun.
Seehofer will sich in absehbarer Zeit dazu äußern. Eine jeweils noch größere Mehrheit lehnt einen Rücktritt Seehofers als Bundesagrarminister ab, falls sich die Affäre bewahrheiten sollte.
Pauli unbeeindruckt
Unterdessen bekräftigte die Stoiber-Kritikerin und Fürther Landrätin Gabriele Pauli ihren Anspruch auf das Amt eines der vier stellvertretenden CSU-Vorsitzenden. Es gehe dabei nicht um ihre Person, sondern darum, einer Gruppe in der CSU Gehör zu verschaffen, die sich für eine Erneuerung der Partei einsetze, sagte die 49-Jährige in Zirndorf. Dazu gehöre etwa die Verankerung eines zeitgerechten Familienbildes, aber auch eine kritischere innerparteiliche Diskussionskultur.
Zugleich rückte Pauli von ihrer Forderung nach einer Mitgliederbefragung für die Nominierung des CSU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2008 ab. Pauli hatte die Debatte um Stoibers Führung vor Weihnachten mit Spitzelvorwürfen gegen die Staatskanzlei ins Rollen gebracht.
Quelle: ntv.de