Appell der Angehörigen "Seid gnädig"
16.03.2007, 18:43 UhrDer Ehemann und Vater der im Irak entführten deutschen Geiseln hat an die Entführer appelliert, seine Frau und seinen Sohn freizulassen. "Bitte behandelt meine Frau und meinen Sohn weiterhin mit Respekt und Ehre. Seid gnädig - der Islam ist eine Religion des Friedens und der Barmherzigkeit", sagte Mohammed al-Tornachi in einer am Freitag vom ZDF im Internet veröffentlichten Videobotschaft. Seine Frau sei aus Liebe zur Familie und zur arabischen Kultur vor 40 Jahren aus Deutschland in den Irak gekommen. Sie sei Mutter von drei Kindern. "Wir sind eine Familie, die keinen Einfluss auf politische Entscheidungen hat. Daher appelliere ich an Euch: Lasst meine Ehefrau und meinen Sohn frei."
Die Ehefrau des Sohnes erklärte dem ZDF-Bericht zufolge, sie sei seit weniger als drei Monaten verheiratet. "Wir wünschen uns, dass die Familie bald wieder zusammen sein kann. Daher appellieren wir an Euch: Ich bitte Euch, lasst meinen Mann und meine Schwiegermutter frei! Friede, Gnade und Segen Allahs seien mit euch."
Die Entführer hatten am vergangenen Samstag in einem Internet-Video mit der Ermordung der Geiseln gedroht, falls die Bundeswehr nicht binnen zehn Tagen mit dem Abzug aus Afghanistan beginne. Die Bundesregierung hatte daraufhin erklärt, sie bemühe sich weiter intensiv um die Freilassung der beiden Deutschen, lasse sich aber nicht erpressen.
Auch Bundespräsident Horst Köhler hatte in einer Video-Botschaft die Entführer aufgerufen, ihre Geiseln freizulassen. Keine Religion erlaube das Töten unschuldiger Menschen. Die 61-jährige Hannelore Krause und ihre Sohn Sinan waren am 6. Februar verschleppt worden.
BKA: Für Panik kein Anlass
Trotz der jüngsten Terrordrohung in einem am Wochenende im Internet aufgetauchten zweiten Video hält das Bundeskriminalamt (BKA) zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland für unnötig. "Zu Panik besteht kein Anlass. Das Video taugt nicht zur Dramatisierung der Gefährdungslage in Deutschland", sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke in Wiesbaden. Das Sicherheitsniveau sei bereits sehr hoch. Eine "neue Qualität" liege allerdings in der ausführlichen Bezugnahme auf Deutschland und Österreich sowie der professionellen Machart. Sie verrate Geschicklichkeit und analytische Fähigkeiten: "Da hat jemand Hand angelegt, der der deutschen Sprache sehr mächtig ist."
Ziercke bezeichnete die Video-Botschaft als "Drohgebärde" ohne konkrete Anschlagshinweise. Sie könne fanatisierten Einzeltätern durchaus als Rechtfertigung dienen - aber auch dazu habe das BKA keine Hinweise. Die Gefährdung Deutschlands habe zwar zugenommen, bleibe aber "abstrakt". Ein Ausmaß wie in den USA, Israel und Großbritannien habe sie nicht erreicht. In der Video-Botschaft hatten Islamisten mit Anschlägen gedroht, sollte die Bundeswehr nicht aus Afghanistan abziehen.
Mord an Aufbauhelfer nicht aufgeklärt
Das Motiv für den Mord an einem deutschen Aufbauhelfer in Afghanistan ist für das Bundeskriminalamt noch nicht geklärt. Es sei klar, dass die Umstände an eine politische Tat denken ließen, sagte Staatsschutz-Abteilungsleiter Klaus Wittling. Aber das BKA habe dazu keine Erkenntnisse.
Die Bundesregierung wollte sich nicht zu Berichten äußern, wonach dieser Mord und die Entführung im Irak auf das Konto von Terroristen gehe. Der Krisenstab im Auswärtigen Amt arbeite mit Hochdruck daran, die Situation aufzuklären und einen guten Ausgang der Geiselnahme im Irak zu ermöglichen, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg lediglich.
Die "Leipziger Volkszeitung" hatte unter Berufung auf ein nicht genanntes Regierungsmitglied berichtet, die Bundesregierung gehe in beiden Fällen von einem terroristischen Hintergrund aus. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte dagegen verfrühte Schlussfolgerungen zurückgewiesen und nicht ausgeschlossen, "dass es auch Trittbrettfahrer sind, zumindest was das zweite Video angeht, die hier eine Eskalation in der innerdeutschen Diskussion fördern wollen". Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) warnte vor Panikmache.
"Jede Verkehrsampel ist aussagekräftiger"
Das Bundesinnenministerium hatte am Donnerstag betont, die schon zuvor hohe abstrakte Gefährdung Deutschlands sei nach den Drohvideos weiter angestiegen. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen, sagte dazu am Freitag im NDR: "Jede Verkehrsampel ist aussagekräftiger für den normalen Bürger als das, was dort zur Zeit formuliert wird." Unwissenheit fördere aber Panik. "Wenn wir klar sagen, wo wir auf einer Skala von grün nach rot stehen würden, und ich würde sagen, wir sind bei dunkelorange, dann wäre der Bürger darauf eingestellt, das etwas passieren kann", sagte Jansen.
Quelle: ntv.de