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Der Kriegstag im Überblick Selenskyj rechnet mit schmutzigen Kreml-Taten - Schoigu telefoniert NATO-Staaten ab

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Zwei ukrainische Soldaten bedienen eine US-Haubitze.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Der russische Verteidigungsminister verbringt seinen Tag am Telefon, um NATO-Staaten vor vermeintlichen radioaktiven Bomben zu warnen, die Kiew angeblich zünden will. Präsident Selenskyj ruft die Welt auf, solchen "Schmutz" nicht zu schlucken. Während die Zerstörung der ukrainischen Energieversorgung anhält, verlangt die SPD von Deutschland mehr Diplomatie. Der 242. Kriegstag im Überblick.

Selenskyj: Russland bereitet etwas vor

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Weltgemeinschaft zu entschlossenem Widerstand gegen eine weitere Eskalation des Krieges durch Russland aufgerufen. Wenn Moskau der Ukraine vorwerfe, eine sogenannte schmutzige Bombe werfen zu wollen, bereite es selber irgendetwas Schmutziges vor. Das sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Er sprach von einem "Telefonkarussell" des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu mit den Ministern der NATO-Staaten Frankreich, Großbritannien, der Türkei und den USA. Schoigu hatte darin vor angeblichen Plänen der Ukraine mit einer nuklear verseuchten Bombe gewarnt.

"Wenn jemand in unserem Teil Europas Atomwaffen einsetzen kann, dann ist es das nur einer - und dieser eine hat dem Genossen Schoigu befohlen, dort anzurufen", sagte Selenskyj unter Anspielung auf Russlands Staatschef Wladimir Putin. Die Welt müsse klarstellen, dass sie nicht bereit sei, diesen "Schmutz" zu schlucken. "Wohin Russland auch geht, es hinterlässt Massengräber, Folterlager, zerstörte Städte und Dörfer, vermintes Land, zerstörte Infrastruktur und Naturkatastrophen", sagte der Präsident. Die Ukraine versuche dagegen, ihren Menschen wieder ein normales Leben zu ermöglichen. "Wo die Ukraine ist, wird kein Leben zerstört."

Schoigu spricht mit vier NATO-Staaten

Russlands Verteidigungsminister hatte zuvor in Gesprächen mit den NATO-Staaten USA, Großbritannien, Frankreich und der Türkei vor einer Zuspitzung im Ukraine-Konflikt gewarnt. Die Lage verschlechtere sich rapide, erklärte das Ministerium. Im Gespräch mit dem französischen Verteidigungsminister Sebastien Lecornu habe Schoigu erklärt, es gebe die Tendenz zu "einer weiteren unkontrollierten Eskalation." Schoigu habe am Telefon Moskaus Sorge übermittelt, die Ukraine könnte eine "schmutzige Bombe" zünden - einen mit radioaktivem Material versetzten Sprengsatz.

Frühere russische Behauptungen, die Ukraine könnte etwa auf biologische Waffen zurückgreifen, hatten im Westen die Sorge geweckt, dass Moskau unter einer falschen Identität Taten begehen und dann Kiew dafür verantwortlich machen könnte. Putin hatte nach wiederholten Rückschlägen in der Ukraine gesagt, sein Land werde notfalls auf Atomwaffen zurückgreifen, um seine "territoriale Integrität" zu verteidigen.

Zweites Telefonat binnen drei Tagen

Mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach Schoigu zum zweiten Mal binnen drei Tagen. Die Regierung in Moskau machte keine näheren Angaben zum Inhalt. Beide hatten am Freitag erstmals seit Mai wieder miteinander gesprochen. Ein russischer Spitzendiplomat war nach dem Telefonat mit den Worten zitiert worden, es müssten "Missverständnisse ausgeräumt werden, damit es nicht zu Unfällen kommt".

Paris und London reagieren abweisend

Der französische Verteidigungsminister Sebastien Lecornu sagte nach dem Telefonat, er habe Frankreichs Wunsch nach einer friedlichen Lösung des Ukraine-Krieges bekräftigt. Paris weigere sich zudem, sich in irgendeine Form der Eskalation hineinziehen zu lassen. Großbritannien erklärte, Verteidigungsminister Ben Wallace habe die Behauptungen Schoigus zurückgewiesen, wonach westliche Länder einen Plan der Ukraine zur Eskalation des Konflikts unterstützten. Die Sorge vor einer "schmutzigen Bombe" erwähnte Schoigu nach Moskauer Angaben auch in einem Telefonat mit dem türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar.

Auch Wind- und Solarkraft-Anlagen in Ukraine zerstört

Durch den russischen Angriffskrieg hat die Ukraine bislang etwa 90 Prozent ihrer Windkraft-Kapazitäten verloren. Bei Solarenergie betrage der Verlust 40 bis 50 Prozent, sagte Energieminister Herman Haluschtschenko im ukrainischen Fernsehen. Er machte keine Angaben, wie groß die installierten Kapazitäten waren. Die Ukraine habe die erneuerbaren Energien aber in den vergangenen Jahren stark ausgebaut, sagte er. Vor dem Krieg habe ihr Anteil zehn bis elf Prozent an der Energieproduktion betragen. Nach dem Krieg solle der Ausbau umso schneller fortgesetzt werden. Das angegriffene Land ist damit noch stärker auf fossile Brennstoffe und Atomkraft angewiesen als bislang. Die russische Armee hat in den vergangenen Tagen mit Luftangriffen die ukrainische Strom- und Wärmeversorgung schwer beschädigt.

US-Experten bewerten Kriegsstrategie: Ressourcen binden

Die US-Denkfabrik "Institute for the Study of War" (ISW) wertete die russischen Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur als Versuch, den Kampfeswillen der Ukrainer zu brechen. Außerdem wolle Moskau Kiew dazu zwingen, zusätzliche Ressourcen dafür zu verwenden, die Bevölkerung und die Energie-Infrastruktur zu schützen, anstatt die Ressourcen in die Gegenoffensiven zu stecken. Die Denkfabrik hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass der Kampfeswille dadurch geschwächt wird. Das Leiden in der Bevölkerung jedoch dürfte angesichts der Stromausfälle und der beschädigten Gebäude im Winter weiter steigen. Die russischen Attacken auf die Energie-Infrastruktur verursachten eine humanitäre Tragödie, ohne dass es auf dem Schlachtfeld große Veränderungen gebe, heißt es in einer ISW-Einschätzung. Etwa 30 Prozent der Energie-Infrastruktur der Ukraine seien beschädigt.

Zweiter Unfall: Russisches Kampfjet stürzt in Wohngebiet

Beim Absturz eines russischen Kampfflugzeugs in einem Wohngebiet der sibirischen Großstadt Irkutsk kamen zwei Piloten ums Leben. "Das Flugzeug vom Typ Su-30 ist während eines Testflugs abgestürzt", teilte der russische Zivilschutz der Nachrichtenagentur Interfax zufolge mit. Die Maschine ist zwar in einem Wohngebiet zerschellt, nach ersten Behördenangaben gibt es aber keine weiteren Opfer am Boden. Das Feuer konnte demnach inzwischen gelöscht werden, die Aufräumarbeiten halten an. Die Höhe des Sachschadens wird noch ermittelt. In dem betroffenen Wohngebiet stehen vor allem kleingeschossige Privathäuser. Erst vor wenigen Tagen war ein Kampfjet im Süden Russlands in ein Wohnhaus gekracht. Die Zahl der zivilen Opfer dort beläuft sich inzwischen auf 15 Tote.

Mützenich verlangt von Baerbock mehr Diplomatie

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach sich dafür aus, die diplomatischen Anstrengungen zu verstärken. Es gelte, eine Balance zwischen dem Selbstverteidigungsrecht der Ukraine und diplomatischen Initiativen herzustellen, sagte er im ZDF. Meinungsumfragen belegten, dass eine Mehrheit in der Bevölkerung mehr diplomatische Initiativen wolle, so Mützenich. Dies sei auch an die Adresse von Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen gerichtet: "Sie ist nun mal die höchste Diplomatin derzeit in Deutschland."

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Quelle: ntv.de, mau/rts/dpa

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