Berlin erkennt Kosovo an Serbien ruft Botschafter zurück
20.02.2008, 10:20 UhrDeutschland hat die frühere serbische Provinz Kosovo als eigenständigen Staat anerkannt. Bundespräsident Horst Köhler schickte nach einem entsprechenden Kabinettsbeschluss eine förmliche Note an seinen kosovarischen Amtskollegen Fatmir Sejdiu.
Serbien rief aus Protest seinen Botschafter aus Berlin zurück. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach in einer von Emotionen über den Jugoslawien-Krieg geprägten Bundestagsdebatte von "gemischten Gefühlen" und einer "Güterabwägung".
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, Deutschland werde mit Nachdruck Serbien bei einer Annäherung an die EU unterstützen.
Linke auf Linie Serbiens
Bis auf die Linke unterstützten alle Fraktionen im Bundestag den Schritt der Bundesregierung. Redner von Union, SPD, Grünen und FDP gingen auf die komplizierte Situation und die Gründe für den Kosovo-Krieg in den 90er Jahren ein. Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin sagte, der zentrale Grund für den Zerfall Jugoslawiens sei der brutale, menschenverachtende serbische Nationalismus gewesen. Der FDP-Außenexperte Werner Hoyer betonte, im Kosovo müsse nun selbstverständlich die serbische Minderheit geschützt werden.
Die Linke im Bundestag teilt dagegen die Haltung Russlands und Serbiens und lehnt die Unabhängigkeit des Kosovo ab. Nach dem Völkerrecht hätte es eine einvernehmliche Einigung mit Serbien geben müssen, argumentierte die Fraktion und kündigte eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an.
Steinmeier sagte, er blicke mit Sorge auf die nun "brennenden albanischen Fahnen". Die internationale Gemeinschaft habe sich neun Jahre erfolglos um eine einvernehmliche Lösung bemüht. Auch noch längeres Verhandeln hätte aber zu keiner Einigung mit Serbien geführt. Er appellierte an Russland, "besonnen zu bleiben". Die Entwicklung sei ein "Schlusspunkt und kein Sonderfall für den teilweise gewaltsamen Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens".
Grenze zu Serbien abgeriegelt
Die NATO-geführte Schutztruppe KFOR riegelte unterdessen nach schweren Ausschreitungen im Norden des Kosovos die Grenze zu Serbien ab. Der UN-Kosovo-Verwalter Joachim Rücker sprach in Pristina von einem "ernsthaften Zwischenfall". Kosovo-Präsident Sejdiu rief die Serben zur Ruhe auf. KFOR-Befehlshaber Xavier Bout de Marnhac warnte: "Niemand sollte Zweifel an meiner Entschlossenheit haben, ein sicheres Umfeld wieder herzustellen und aufrechtzuerhalten."
Hunderte Serben hatten am Vortag die von der UN-Kosovo-Verwaltung (UNMIK) betriebenen Grenzübergänge Jarinje und Zubin Potok demoliert und in Brand gesteckt. Im Kosovo leben zwei Millionen Albaner und rund 100.000 Serben.
Jung im Kosovo
Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hält sich bis Donnerstag im Kosovo auf, um sich über die Sicherheitslage zu informieren. In Pristina will er mit dem kosovarischen Regierungschef Hashim Thaci sprechen. Die Bundeswehr beteiligt sich an der 16.000 Mann starken KFOR mit 2500 Soldaten.
Das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge setzte aufgrund der Anerkennung die Entscheidungen über Asylanträge von Kosovaren vorerst aus. Pro Asyl mahnte, die Unabhängigkeitserklärung dürfe jetzt nicht zum Startschuss für die erzwungene Rückkehr von Flüchtlingen aus Deutschland in das Land werden. Etwa 38.000 Menschen in Deutschland gehörten Minderheiten aus dem Kosovo an.
Quelle: ntv.de