Politik

Im Rausch der Schweinegrippe Serum reicht nicht für alle

Die fröhliche Ministerinnenrunde um Gesundheitsminister Rösler.

Die fröhliche Ministerinnenrunde um Gesundheitsminister Rösler.

(Foto: dpa)

Der "Impfgipfel" in Berlin bringt zutage, dass sich das Gros der Deutschen erst nach dem Winter gegen die Grippe impfen lassen kann, weil nicht genügend Serum zur Verfügung steht. Politiker appellieren an die Vernunft der Bürger, den Risikogruppen den Vorrang zu lassen. In Thüringen stirbt indes eine Frau kurz nach einer Vorsorgeimpfung. Die Krankheit selbst verläuft derweil eher mild.

Bis Ende des Jahres sollten insgesamt 20 Millionen Dosen des Impfstoffs Pandemrix ausgeliefert werden, sagte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) in Berlin. Das habe der Hersteller Glaxosmithkline den Gesundheitsministern von Bund und Ländern bei einem Treffen in Berlin zugesichert. "Diese Zahlen machen schon deutlich, dass nicht jeder geimpft werden kann", räumte Rösler ein. "Wichtig ist, dass jetzt nicht jeder sofort zu den Impfstellen rennt."

Rösler appellierte an die Bürger, den Risikogruppen, medizinischem Fachpersonal, Polizei, Feuerwehr und chronisch Kranken zunächst den Vortritt zu lassen.

Das Gros der Dosen erst nach dem Winter

Das Volk hat seine Freude.

Das Volk hat seine Freude.

(Foto: dpa)

Bis Ende November sollten 9,3 Millionen Dosen ausgeteilt sein, sagte Rösler. Die 50 Millionen Dosen des Serums, die die Behörden insgesamt bestellt hatten, würden voraussichtlich erst bis März vollständig ausgeliefert, teilte der Minister mit. Klar sei dies aber noch nicht.

Maßgeblich für die Impfung seien die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, sagte der Minister. Zunächst solle demnach Sicherheits- und Gesundheitspersonal geimpft werden. Dann folgten Menschen mit chronischen Krankheiten. Rösler sagte, Gesunde könnten nicht schon Ende November reihenweise geimpft werden. "Man muss nicht unbedingt morgen geimpft werden", bekräftigte auch die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD).

Impfstoff nicht für Schwangere

Erst im Dezember sollen 150.000 Impfdosen ohne Wirkverstärker (Adjuvans) für Schwangere zur Verfügung stehen, sagte Thüringens Gesundheitsministerin Heike Taubert (SPD). Damit könnte nicht einmal die Hälfte aller Schwangeren diesen Impfstoff bekommen, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Auch mit Pandemrix, das Wirkverstärker enthält, könnten Schwangere jedoch nach Absprache mit dem Arzt geimpft werden, betonte Rösler. Dies hält die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn für unverantwortlich. Denn der einzige für Schwangere wirklich unbedenkliche Impfstoff sei bisher in Deutschland gar nicht zugelassen. Hektisch versuche man das jetzt nachzuholen, kritisierte Höhn. Taubert stellt aber im Aussicht, dass Im Januar und Februar bei diesem speziellen Impfstoff nochmals nachgelegt werden solle.

Grippe verläuft vergleichsweise milde

Rösler warb für Verständnis für die schleppend angelaufene Massenimpfung. Die größte Impfaktion in der Geschichte Deutschlands habe erst vor zwei Wochen begonnen. Erst vor einem halben Jahr sei der Erreger ausfindig gemacht worden. "Insofern ist das eine Leistung."

Solche Bilder gibt es aus Deutschland noch nicht. Schweizer stehen Schlange nach Impfstoff.

Solche Bilder gibt es aus Deutschland noch nicht. Schweizer stehen Schlange nach Impfstoff.

(Foto: dpa)

Das Robert Koch-Institut teilte mit, mehr als 50.000 Menschen seien in Deutschland mittlerweile infiziert. Ärzte gehen von einer wesentlich höheren Dunkelziffer aus, da nicht jeder Kranke zum Arzt gehe und sich testen lasse. Grund ist der vergleichsweise milde Verlauf der Krankheit. In Deutschland sind bislang 13 Tote gezählt worden, die im Zusammenhang mit der Schweinegrippe - nicht aber an der Schweinegrippe starben.

Tod nach Vorsorgeimpfung

Derweil gibt es aber auch ganz andere Entwicklungen: In Weimar starb eine 65-jährige Frau nur wenige Stunden nach einer Schweinegrippe-Impfung. Fachleute gehen davon aus, dass der Tod der herzkranken Frau nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung steht. Ein Sprecher der Stadt Weimar warnte zugleich vor Panikmache. Die Frau habe durch ihre Vorerkrankung zur Risikogruppe der Menschen gehört, denen eine Impfung angeraten wird.

Nach Angaben der "Thüringer Allgemeinen", die sich auf Angaben des Ehemannes beziehen, soll die 65-Jährige nach der Impfung ohne Beschwerden gewesen sein. Nach dem Abendessen habe sie eine schwere Herzattacke erlitten und sei in ein Krankenhaus gebracht worden. Dort konnte sie nicht mehr wiederbelebt werden. Der Amtsarzt habe keinen Zusammenhang mit der Impfung gesehen, heißt es in dem Bericht.

Entspannter Umgang

An einer Grundschule in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) sind 20 Kinder und zwei Betreuer an Schweinegrippe erkrankt. Nur ein Kind sei vorübergehend in einem Krankenhaus gewesen, alle anderen seien zuhause, sagte eine Sprecherin des Landkreises. Das Gesundheitsamt nehme mit allen Erkrankten Kontakt auf, um über Verhaltensmaßregeln zu informieren. Eine Schließung der Schule mit insgesamt 170 Kindern sei nicht geplant. Auch aus anderen Schulen Deutschlands wird von massenhaften Schülerausfällen berichtet - doch nur selten schalten Eltern sofort Ärzte ein. Dadurch wird die schnell verlaufende Schweinegrippe zu einem großen Teil gar nicht erst erkannt.  

Deutschland übt den Pandemie-Fall

Angesichts der Engpässe übte die Bundesärztekammer Kritik an den Behörden. "Man muss sich fragen, ob es klug war, in jedem Bundesland ein anderes Verteilungsverfahren zu machen", sagte Vizepräsident Frank Ulrich Montgomery im rbb. Künftig sei eine bundeseinheitliche Vorgehensweise bei Pandemien nötig. Die Schwierigkeiten seien aber auch nicht verwunderlich. Es sei schließlich das erste Mal, dass man ein solch großes Projekt in Angriff nehme. Die Neue Grippe sei glücklicherweise nicht sehr gefährlich. "Daraus kann man lernen und klüger werden", sagte Montgomery.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa

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