Stasi-Akten - Klappe zu! Sieger: Altkanzler Kohl
08.03.2002, 00:00 UhrDie Akten der DDR-Staatssicherheit über Altkanzler Helmut Kohl (CDU) bleiben unter Verschluss. Das entschied am Freitag in letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht in Berlin und bestätigte damit ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom Sommer vergangenen Jahres.
Damit hat sich Kohl in einem seit langem ausgetragenen Streit mit der Stasi-Unterlagen-Behörde endgültig durchgesetzt. Der Bundestag wird sich nun mit der Frage befassen, ob das Stasi-Unterlagen-Gesetz geändert werden soll.
Akten bleiben im Archiv
Das Urteil hat weit reichende Folgen für die bisherige Praxis der Behörde. Fortan dürfen Stasi-Akten über Prominente nur noch mit deren ausdrücklicher Genehmigung zu Forschungszwecken verwendet werden. Damit wurde eine zehnjährige Praxis der Stasi-Akten-Behörde für rechtswidrig erklärt. Die Richter gaben dem Opferschutz Vorrang vor dem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit.
Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, kündigte unmittelbar nach dem Urteil an, ab Montag vorerst keine weiteren Akten zu Personen der Zeitgeschichte, Amtsträgern und Inhabern politischer Funktionen mehr herauszugegeben. Das betreffe über 2.000 Anträge von Wissenschaftlern und Publizisten.
Im Fall Kohl ging es um etwa 7.000 Blätter, auf denen die Stasi zum großen Teil rechtswidrig erlangte Informationen festgehalten hatte. 2.500 Blätter davon hielt die Stasi-Unterlagen-Behörde für veröffentlichungswürdig.
Begründung und Bewertung
Der Vorsitzende Richter des 3. Revisionssenats, Hans-Joachim Driehaus, sagte in der kurzen mündlichen Urteilsbegründung, der Gesetzgeber habe dem Opferschutz Vorrang eingeräumt. Informationen über Personen der Zeitgeschichte dürften nicht herausgegeben werden, wenn sie Betroffene oder Dritte sind. Der Opferschutz sei der „unmissverständlich zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers“.
Nach Auffassung von Driehaus ist nicht zu befürchten, dass durch dieses Urteil der Zweck des Gesetzes, nämlich die Aufklärung der Stasi-Vergangenheit, ernsthaft gefährdet ist.
Der Anwalt Kohls, Stephan Holthoff-Pförtner, sieht durch den Spruch des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts seinen Mandanten voll bestätigt. In letzter Instanz sei die bisherige Rechtspraxis der Stasi-Unterlagenbehörde als rechtswidrig bezeichnet worden.
Bedauern bei Birthler
Birthler, hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Gunsten von Kohl bedauert. Sie führe zu einem empfindlichen Rückschlag für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte, sagte sie nach der Urteilsverkündung am Freitag.
Unterlagen von Amtsträgern und Personen der Zeitgeschichte könnten nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung herausgegeben werden. Die Folge sei, dass viele Unterlagen oder die Folge des Rechtsstreits mit sei, dass viele Unterlagen wertlos würden.
„Ich habe Mühe, die Entscheidung zu verstehen“, sagte Birthler. Die Praxis der Stasi-Unterlagenbehörde sei in zehn Jahren weder vom Datenschutzbeauftragten noch von dem überwiegend zuständigen Kabinett Kohl beanstandet worden. „Es fällt mir schwer zu sagen, das kann nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein.“ Es sei nun Aufgabe des Bundestages, zu klären, wie künftig die Unterlagen von Betroffenen und Dritten behandelt werden sollen. Sie sei froh, dass es bereits einen Termin für eine Anhörung zu diesem Thema gebe.
Schily zufrieden
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) dagegen sieht im Streit um die Stasi-Akten von Kohl (CDU) seine Rechtsauffassung „zu 100 Prozent bestätigt“. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil zu Recht besonders den Opferschutz herausgestellt.
Quelle: ntv.de