Hamburg kein Wunschkonzern Sieht Ole grün?
25.02.2008, 08:40 UhrRichtig glücklich sieht anders aus: Der Wahlsieger Ole von Beust (CDU) tritt am Sonntagabend mit ernster Miene im Kongresszentrum CCH vor die Presse. Er wolle erst einmal eine Nacht über das Ergebnis der Bürgerschaftswahl schlafen, sagt er. Dabei interessiert an diesem Abend alle nur eines: Werden Bürgermeister von Beust und seine CDU, die ihre absolute Mehrheit klar verloren hat, Geschichte schreiben und mit den Grünen die erste Koalition auf Landesebene eingehen? Oder gehen sie auf Nummer sicher und bandeln mit der SPD an, mit deren Spitzenkandidat Michael Naumann sich von Beust gut versteht?
Einen Monat nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen gibt es in der Hansestadt zwar nicht die viel beschworenen "hessischen Verhältnisse" mit unklaren Mehrheiten. Besonders leicht wird die Regierungsbildung in der zweitgrößten Stadt Deutschlands aber dennoch nicht - obwohl die Parteivertreter im Gegensatz zur polarisierten Situation in Wiesbaden alle miteinander reden wollen. Müssen sie auch, da es für die Wunschkoalitionen Schwarz-Gelb und Rot-Grün nicht reicht.
GAL hält kein Trittbrett
Dementsprechend heiß diskutiert wird deshalb die auf Landesebene noch nie da gewesene Variante Schwarz-Grün. "Nein, da gibt es überhaupt keine Gräben, aber inhaltlich große Diskrepanzen", sagt von Beust über sein persönliches und politisches Verhältnis zu den Grünen. Er hatte schon vor Monaten immer wieder die Grünen umgarnt und so derart in Bedrängnis gebracht, dass der Parteivorstand sich sogar zu einer Klarstellung gegenüber der Basis genötigt sah.
Die Grünen - in Hamburg GAL genannt - fürchteten mit solch "revolutionären" Ideen massive Verluste vor allem in ihren Hochburgen wie St. Pauli, wo sie schon fast 50 Prozent der Stimmen erzielt haben. "Wir werden uns nicht in einen Wettlauf einlassen, wer Ole von Beust als erster das Trittbrett halten kann", sagt Parteichef Reinhard Bütikofer auf der Grünen-Wahlparty im "Herzblut" auf der Reeperbahn. In der Politik gehe es um Gestaltung, nicht um Farbenspiele.
Blocksituationen immer öfter
Und auch die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller sagt, es gebe mit der CDU nur minimalste Übereinstimmung. Gleichwohl wollen die Grünen - bei der Bürgerschaftswahl mit einem blauen Auge davongekommen - bereits am Donnerstag in einer Mitgliederversammlung ausloten, ob es realistische Chancen für ein solches Bündnis gibt: "Nur das Argument, eine große Koalition zu verhindern, reicht bislang noch nicht." Für den Parteienforscher Franz Walter von der Universität Göttingen schon, da eine immer häufiger auftretende Blockadesituation zwischen CDU, FDP, SPD, Grünen und den Linken nur durch den Mut zu neuen Koalitionen aufgelöst werden könne.
Verzweiflung der CDU beschworen
Und die SPD? Auch Naumann sieht nicht gerade glücklich aus, als er am Abend in der SPD-Parteizentrale im Kurt-Schumacher-Haus vor seine Anhänger tritt. Tapfer ruft er der Basis zu: "Die Sozialdemokratie in Hamburg ist wieder da." Und in der Tat: Trotz der für die Hamburger Wahlkämpfer völlig überraschenden Wende des SPD-Bundeschefs Kurt Beck im Umgang mit den Linken, konnte die SPD vor allem Dank Naumann um knapp vier Prozentpunkte zulegen und so ihre schwere Krise vor gut einem Jahr vergessen machen.
Nur nützt Naumann der Erfolg möglicherweise nichts: Denn anders als von Beust hat Naumann nur eine Möglichkeit mitzuregieren: als Juniorpartner in einer großen Koalition - Die wollen aber eigentlich weder CDU noch SPD. Ob der beurlaubte "Zeit"-Herausgeber deshalb noch am Abend die Flucht nach vorne antritt? In Richtung von Beust sagt er, offensichtlich immer noch Wahlkämpfer: "Wir werden erleben, wie er verzweifelt nach Koalitionstruppen suchen wird."
Von Markus Klemm und Georg Ismar, dpa
Quelle: ntv.de