Die Erststimme im neuen Wahlrecht So wählen Sie richtig
13.09.2013, 18:13 Uhr
Der Grüne Ströbele ist wohl der bekannteste direkt gewählte Abgeordnete, der nicht über eine Landesliste abgesichtert ist.
(Foto: picture alliance / dpa)
Zum ersten Mal wird der Bundestag nach neuen Regeln gewählt. Wer seine Erststimme richtig einsetzen möchte, muss wissen, wie das System funktioniert.
Wer weiß schon genau, was mit den zwei Kreuzchen passiert, die er am 22. September auf seinen Wahlschein setzt? Das deutsche Wahlrecht hat hinter die Stimmabgabe ein kompliziertes Geflecht aus Wahlkreisen, Landeslisten, Direktmandaten und Stimmen-Verrechnungen geschaltet, das aus der Wahl ein Wahlergebnis macht. Eine Wahlrechtsreform hat vor einem halben Jahr eine entscheidende Änderung ergeben. Ein Überblick.
Was ist die Zweitstimme?
Die Zahl der Zweitstimmen bestimmt, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag bekommt. Die absolute Zahl ist dabei nicht entscheidend, sondern das Verhältnis zu den anderen Parteien. Ein Beispiel: Eine Partei, die 20 Prozent der Zweitstimmen erhält, stellt danach auch mindestens 20 Prozent der Abgeordneten - fast immer sind es sogar mehr, da ein Teil der Stimmen auch an Parteien geht, die unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben. Die Stimmen für diese Parteien verfallen.
Was ist die Erststimme?
Die Erststimme ist dazu da, eine Person direkt in das Parlament zu wählen. Wer in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommt, wird dadurch automatisch Bundestagsabgeordneter. Dabei ist es egal, ob er auf der Wahlliste einer Partei steht, oder nicht.
Was sind Überhangmandate?
Wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Mandate bekommt, als ihr nach Zweitstimmen zustehen würden, muss die Fraktion größer werden, als eigentlich vorgesehen. Die zusätzlichen Sitze heißen "Überhangmandate".
Was hat sich geändert?
Früher profitierte von Überhangmandaten nur die Partei, die diese Mandate erringen konnte. Sie hatte einfach mehr Abgeordnete im Parlament - auch im Vergleich zu den anderen Parteien. Nun bekommen auch die Mitbewerber Mandate hinzu, die Überhänge werden also ausgeglichen. An der Machtverteilung ändern die Überhangmandate nun nichts mehr.
Der Grund für die Reform war ein Phänomen, das nach der Bundestagswahl 2005 diskutiert wurde: Theoretisch war es möglich, dass zusätzliche Stimmen für eine Partei zu weniger Mandaten führten. Dieses "negative Stimmgewicht" hatte mit den Überhangmandaten zu tun. Durch den Ausgleich der Überhangmandate können zusätzliche Zweitstimmen einer Partei nun nicht mehr schaden.
Wozu dann noch eine Erststimme?
Mit der Erststimme kann man eine Partei nicht mehr direkt stärken. Dass die von Ihnen bevorzugte Partei eine Mehrheit bekommt, wird durch Ihre Erststimme nicht wahrscheinlicher. Stattdessen können Sie:
- Die Partei oder einen Kandidaten symbolisch stärken: Jeder freut sich über zusätzliche Stimmen, auch symbolische.
- Den Bundestag vergrößern: Wenn Sie mit Ihrer Stimme für einen Überhang sorgen, kann sich durch die Ausgleichmandate der Bundestag um mehrere Sitze vergrößern. Wenn man das Ergebnis von 2009 auf das neue Wahlrecht übertrüge, käme man auf 671 statt 622 Abgeordnete. Zu den 24 Überhangmandaten, die alle auf CDU und CSU entfielen, wären 49 Ausgleichmandate für die anderen Faktionen hinzugekommen. Die Größe des Bundestags ist auf mindestens 598 Sitze definiert.
- Die Zusammensetzung einer Fraktion ändern: In der Regel muss für jeden direkt gewählten Kandidaten ein Kandidat der Landesliste auf seinen Sitz verzichten. Wer das genau ist, lässt sich nicht vorhersagen.
Vor allem der letzte Punkt ist interessant, weil man damit unbeabsichtigte Effekte erzielen kann. "Man stärkt mit der Erststimme das Gewicht des direkt gewählten Abgeordneten innerhalb seiner Fraktion", sagt Wilko Zicht vom Internet-Dienst Wahlrecht.de. Ein Beispiel: Angenommen, Sie sind ein eher konservativer SPD-Wähler. In ihrem Wahlkreis tritt ein eher linker SPD-Kandidat an. Wenn durch Ihre Stimme der Kandidat ein Direktmandat holt, kann sich das Profil der SPD-Fraktion nach links verschieben - und damit in eine Richtung, die Ihnen nicht gefällt. Gegenbeispiel: Angenommen, die CDU ist Ihnen etwas zu konservativ, Sie schwanken mit Ihrer Sympathie zwischen CDU und SPD. In Ihrem Wahlkreis tritt ein eher linker CDU-Kandidat an - mit einer Erststimme für die CDU können Sie der Partei ein linkeres Profil geben.
Quelle: ntv.de