Person der Woche Söder macht sich zum Asterix der Republik
18.04.2023, 09:56 Uhr Artikel anhörenWie von einem geheimen Zaubertrank beflügelt, hat Markus Söder eine neue Rolle gefunden, die Übermut nicht nur erlaubt, sondern geradezu braucht. Die Ampelparteien reagieren darauf so falsch wie weiland die Römer in Gallien.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist am Montag vom CSU-Parteivorstand einstimmig als Spitzenkandidat für die Landtagswahl gewählt worden. Die Nachricht wäre fast untergegangen, weil das politische Ampel-Berlin sich noch lautstark über Söders Forderung ereiferte, bayerische Atomkraftwerke künftig in Eigenregie weiterlaufen zu lassen. Die (vor allem) grünen Kritiker übersehen, dass sie mit ihrer Empörung in Söders Falle getappt sind. Denn je mehr die Bundesregierung streitet und unpopuläre Beschlüsse fasst, desto stärker profiliert sich Söder als die Mann gewordene Opposition des Südens. Am 8. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt und Söder hat seine Paraderolle gefunden: als bayerischer Asterix, der sich tapfer, schlau und lustvoll übermütig gegen die Römer aus Berlin wehrt.
Söder weiß auch, dass es faktisch und rechtlich fast unmöglich ist, Atomkraftwerke in Landesregierungen weiter laufen zu lassen. Aber sein Vorstoß hat drei politische Effekte, die ihm zum Vorteil gereichen.
Erstens wird in Deutschland damit noch intensiver über den Atomausstieg diskutiert. Zwei Drittel der Deutschen halten ihn zum jetzigen Zeitpunkt inmitten der Ukraine- und Energiekrise für falsch. Indem Söder das Thema vertieft, macht er sich zum Anwalt der Mehrheitsmeinung und legt seinen politischen Finger tief in die Wunden der Ampelkoalition.
Zweitens stilisiert sich Söder mit seinem Vorstoß als gefühlter Widerstandskämpfer der betrogenen Nation, er dominiert damit die Schlagzeilen wie kein anderer Ministerpräsident im Land. Die schiere Aufmerksamkeit ist sein eigentlicher Zaubertrank und je mehr die grünen Centurionen gegen ihn wüten, desto besser.

Markus Söder sieht sich selbst vermutlich mehr als Moses: So verkleidet ging er im Februar 2023 zu einer TV-Faschingssitzung.
(Foto: picture alliance / Panama Pictures)
Drittens aktiviert Söder mit seinem Bayern-kann-es-auch-alleine-Angebot tief sitzende Reflexe in seiner Wählerschaft: Bayern gegen Preußen, Süden gegen Norden, das Bürgertum gegen die Ideologen, Freiheit gegen Verbotspolitik, Bessermacher gegen Besserwisser.
Wahlkampf gegen Berlin
"Markus Söder müsste der Ampelregierung eigentlich Dankes-Blumen schicken. Mit jedem Habeckfehler und jedem Koalitionskrach in Berlin wächst in München seine Statur als Gegenbild solider Regierungskunst", heißt es aus der vergnügten Berliner CSU-Landesgruppe.
Söders gesamter Wahlkampf ist auf dieser Asterix-Strategie der wehrhaften Bayerngallier gegen das böse grün-römische Bevormundungsreich ausgelegt. So beklagt Söder unermüdlich die vermeintliche "Anti-Bayern-Strategie" der Ampelregierung bei allen möglichen Themen. "Berlin" wolle eine "bewusste Strafaktion gegen den Süden" bei der Energieversorgung. Fünf neue Stromtrassen seien geplant, und keine davon nach Bayern. Das projektierte Wasserstoffnetz bevorzuge den Norden und schließe der Süden, "wenn überhaupt" als Letztes an. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck plane bösartig wie ein grüner Cäsar sogar Strompreiszonen wie ein Bestrafungsfeldzug.
"Es wird bewusst versucht, den Süden abzuhängen und eine neue Wohlstandsverteilung zugunsten des Nordens zu machen", klagt Söder, um im Fischhändler-Verleihnix-Ton anzufügen. "Und gleichzeitig zahlen wir den Länderfinanzausgleich." Kurzum: Bayern werde als wachstumsstärkstes Land von der Ampel systematisch benachteiligt. Der Atomausstieg treffe Bayern ganz besonders. Das alles atme "tiefgrünen ideologischen Geist".
Auch im neuen Wahlrecht wähnt Söder lautstark ein Attentat auf Bayern. "Wir wären offen für viele Vorschläge gewesen, aber das, was jetzt kommt, ist verfassungswidrig." Man würde Bayern von deutscher Entwicklung abschneiden, warnt er im Stile des Söderix-Instinktpolitikers, der die süddeutsche Stimmungswelle gegen die grünen Bevormundungslegionen wittert und sich zum Anführer des Widerstands macht.
Die Asterix-Strategie entfaltet sich bislang ziemlich erfolgreich. Söder hatte ein schwieriges Jahr 2022 hinter sich. Die Wahlniederlage bei der Bundestagswahl hinterließ in der Union tiefe Wunden, Söder wirkte zeitweise verkatert, die CSU-Umfragewerte bröckelten bis auf 32 Prozent ab - eine Katastrophe für die erfolgsverwöhnten Christsozialen. Doch seit Asterix seinen anti-grünen, süddeutschen Zaubertrank gefunden hat, steigen seine Werte. Inzwischen hat die CSU in Bayern sogar die Marke von 40 Prozent wieder erreicht. Sie ist jetzt wieder mehr als doppelt so stark wie die nächstgrößere Partei in Bayern, stärker gar als alle Ampelparteien zusammen. Fazit: Die Wiederwahl des Söderix ist derzeit so wahrscheinlich wie das Wildschweingelage am Ende des Vorbild-Comics.
Quelle: ntv.de