Geheimbericht zu Atomtests Soldaten testeten Strahlung
16.02.2010, 10:22 Uhr
Auch ein Atoll in Französisch-Polynesien war Testgebiet: Zwischen 1966 und 1996 zündete Frankreich auf Mururoa insgesamt 188 Atombomben.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Der geheime Bericht ist frappierend: Um die Folgen von Atomtests auf den Menschen zu testen, bediente sich Frankreich in den 60er Jahren offenbar seiner eigenen Soldaten. Sie mussten als Versuchskaninchen herhalten - für viele von ihnen mit tödlichen Folgen.
Frankreich hat bei seinen frühen Atomtests Soldaten vorsätzlich radioaktiver Strahlung ausgesetzt, um die Reaktion von Truppen in einem Atomkrieg zu untersuchen. Das geht aus einem geheimen Bericht hervor, aus dem die Zeitung "Le Parisien" zitiert. Viele der Soldaten erkrankten später an Krebs und anderen Verstrahlungsfolgen.
Der Geheimbericht behandelt den "Gerboise verte" genannten oberirdischen Atomversuch in Algerien am 25. April 1961. Darin heißt es, die Versuche sollten "die physiologischen und psychologischen Wirkungen der Atomwaffe auf den Menschen erkunden, um die nötigen Elemente für die physische Vorbereitung und moralische Ausbildung des modernen Kämpfers zu erhalten". Einige Soldaten wurden dafür nach der Explosion bis auf 275 Meter an das Explosionszentrum herangeführt.

Französische Soldaten bei ihrer Ankunft in Algerien im Jahr 1956.
(Foto: AP)
Bei "Gerboise verte" simulierten die Franzosen zwei defensive Manöver sowie die Rückeroberung einer von einer Atombombe zerstörten Position. 300 Mann, vor allem in Deutschland stationierte Rekruten, wurden dafür mobilisiert. 35 Minuten nach der Explosion rückte ein Truppenteil zu Fuß bis auf 700 Meter zum Zentrum vor. Soldaten in Geländewagen folgten nach einer Stunde. "Diese Patrouille wurde 275 Meter vor dem Punkt null gestoppt", heißt es in dem Bericht.
Kommandeure von verseuchtem Gebiet fernhalten
Als Konsequenz aus dem Versuch folgerten die Militärs, dass "der Kommandeur niemals die verseuchte Zone betreten" sollte. Weil die Mobilität der Infanteristen von Gasmasken halbiert werde, sollten die Gasmasken durch einfache Staubmasken ersetzt werden. Für die folgenden unterirdischen Atomversuche wurde beschlossen, das Absetzen der Schutzmasken "in kontaminierter Atmosphäre" zeitweise zu erlauben. Bei zwölf der 13 unterirdischen Atomtests gelangte Radioaktivität in die Umwelt.
Etwa 4800 noch lebende Atomtestteilnehmer sind heute Mitglied der Veteranenvereinigung Aven. Von ihnen haben 35 Prozent Krebs; nur zehn Prozent sind gesund. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums waren 150.000 Zivilisten und Soldaten an den 210 Atomtests in der Sahara und in Polynesien beteiligt, die sich von 1960 bis 1996 hinzogen.
Verteidigungsminister: Kenne Bericht nicht
Verteidigungsminister Hervé Morin erklärte, er kenne den Geheimbericht nicht. Die Soldaten hätten aber "nur sehr schwache" Strahlungsmengen abbekommen. Zu den Atomversuchen sagte Morin: "Das ist ein herrliches Epos, das Symbol der Beständigkeit einer Nation, die die Mittel seiner eigenen Souveränität erringen wollte." Er habe gegen eine starke Lobby erreicht, dass Paris in diesem Jahr zehn Millionen Euro für die Opfer zur Verfügung stelle. "Wir können diese Summe erhöhen, wenn es nötig ist."
Vor 50 Jahren, am 13. Februar 1960 zündete Frankreich seine erste Atombombe in der algerischen Sahara. Lange ließ sich Frankreich mit der Entschädigung der Opfer seiner Atomversuche Zeit - ganz abgesehen von der in den Testgebieten lebenden Zivilbevölkerung. Zahlen darüber, wie viele Menschen an Krebs und anderen Strahlungsfolgen gestorben sind, gibt es nicht. Erst seit diesem Jahr können Überlebende überhaupt Entschädigungsanträge einreichen, zehn Millionen Euro wurden dafür 2010 bereit gestellt.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP