Interview mit dem SPD-Linken Ralf Stegner "Solidarität ist nichts fürs Museum"
09.12.2012, 12:54 Uhr
Ralf Stegner ist Landesvorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein und Sprecher des linken Parteiflügels.
(Foto: dpa)
Als die Entscheidung fällt, sind sie nicht begeistert. Die Parteilinken gelten nicht als die größten Unterstützer Peer Steinbrücks. Ihr Sprecher Ralf Stegner verrät im Interview mit n-tv.de, warum Steinbrück trotzdem der Richtige ist.
n-tv.de: Was erwarten Sie von Herrn Steinbrück?
Ralf Stegner: Er muss deutlich machen, dass die SPD die Alternative zur Union ist, und nicht nur die nettere Ausgabe. Es muss klar werden, dass bei uns Fortschritt und Gerechtigkeit zusammengehören. Dass wir eine klar andere Vorstellung haben als Schwarz-Gelb, insbesondere im Bereich gute Arbeit. Wir brauchen flächendeckende Mindestlöhne, gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer, weg mit der prekären Beschäftigung – das ist der Unterschied. Außerdem müssen die mit höheren Vermögen stärker besteuert werden. Es muss klar werden: Inhaltlich ist die Union tot. Die haben eine Frau an der Spitze, die populär ist, aber sonst ist da nichts.
Die SPD will also vor allem auf das Thema Soziale Gerechtigkeit setzen. Reicht das?
Reichen tut es nicht, aber die SPD wird an keiner Frage so sehr gemessen wie an dieser. Wenn die Menschen es nicht gerecht finden, was wir tun, wählen sie uns nicht. Es hilft nichts, nur ein paar Wähler in der Mitte zu gewinnen, wenn wir die Stammwähler und die zur Linkspartei Abgewanderten nicht zurückgewinnen. Das geht nur mit Gerechtigkeitsfragen. Die Menschen machen sich sorgen: Was passiert mit mir, wenn ich ernsthaft krank bin? Wenn ich arbeitslos bin? Diese Solidarität ist nichts fürs Museum, das ist für die Zukunft.
Peer Steinbrück hat mit seinen Vorträgen Honorare von über eine Million Euro verdient. Wie glaubwürdig kann er Solidarität verkörpern?
Ich glaube, dass die Debatte, die wir in den vergangenen Wochen geführt haben, zu Ende gehen wird. Auch deswegen, weil die, die es am schärfsten kritisieren selber scheinheilig sind. Die legen ja ihre Nebeneinkünfte gar nicht offen. Wenn wir bei der Landtagswahl in Niedersachsen gewinnen und Rot-Grün herauskommt, haben wir eine ganz andere Dynamik im nächsten Jahr.
Hat Ihnen die Debatte um die Nebeneinkünfte als Partei-Linker etwas wehgetan?
Sagen wir es mal so: Wir haben uns einen anderen Start gewünscht. Ein paar Gegentore weniger in den ersten zehn Minuten wäre schön gewesen, aber abgerechnet wird am Schluss. Steinbrück ist der richtige Kandidat. Er bietet Merkel Paroli in dem Feld, das sie selbst darstellt: Europa, Finanzmarktkontrolle. Auch im Bürgertum kann er punkten.
Trotzdem forderten Sie zuletzt mehr Einfluss für die Parteilinken.
Unsere Rolle ist nicht die, innerparteiliche Opposition zu sein. Ich verstehe meine Arbeit auf dem linken Flügel als Gestaltungspolitik. Beim Rentenpapier ist uns das gelungen. Die Menschen müssen im Alter Respekt für ihre Lebensleistung bekommen. Genau das haben wir erkämpft in der SPD, und dazu habe ich meinen Teil beigetragen.
Steinbrück nennt seine frühe Nominierung inzwischen selbst eine Sturzgeburt. War das rückblickend betrachtet ein Fehler?
Es hat nicht allen gefallen, wie der Anfang gewesen ist. Doch jetzt ist wichtiger: Wie schaffen wir es zu gewinnen? Wir haben einen Kandidaten, der klug genug ist zu wissen, wie das klappen kann.
Haben Sie nicht trotzdem zwischendurch gedacht: Die Grünen haben das irgendwie cleverer gelöst mit dem Spitzenkandidaten?
Wenn wir mehrere Kandidaten gehabt hätten, wäre die Basis auch gefragt worden. Die Grünen hatten ja 17 Kandidaten, wir dagegen nur einen. Aber heute wird man bei uns sehen: Wir sind eine Partei, die geschlossen, aber lebendig ist. Keine militärische Formation wie die CDU, wo man die Hand an die Mütze legt und sagt: Alle müssen zustimmen und reden darf keiner.
Mit Ralf Stegner sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de