Rücktritte in Großbritannien Spesenabrechnungen im Netz
18.06.2009, 13:34 UhrDas britische Parlament veröffentlicht die Abrechnungen der Abgeordneten aus den Jahren 2004 bis 2008. Allerding sind einige Stellen geschwärzt, sodass Zweifel an dem Wert der Veröffentlichungen laut werden.
Nach dem Spesenskandal in Großbritannien, der zu einer Rücktrittswelle in der Regierung beigetragen hatte, hat das Parlament tausende Abrechnungen der Abgeordneten im Internet veröffentlicht. Allerdings sind die 1,2 Millionen Seiten der eingereichten Quittungen und Dokumente für die Jahre 2004 bis 2008 nicht vollständig einsehbar. So sind etwa die Adressen von Zweitwohnungen und die jeweilige Genehmigung durch die parlamentarische Aufsicht geschwärzt. Im Zusammenhang mit der Affäre reichte nun auch noch die Staatssekretärin im Finanzministerium, Kitty Ussher, ihren Rücktritt ein.
Im Mai hatten Abgeordnete für einen Skandal gesorgt, nachdem bekanntgeworden war, dass sie zum Beispiel fünf DVD-Player und zwei Plasmafernseher für eine Wohnung abgerechnet hatten. Die Zeitung "Daily Telegraph" hatte täglich ungeschwärzte Exemplare der nun ins Internet gestellten Abrechnungen veröffentlicht.
Zahlreiche Rücktritte
Parlamentspräsident Michael Martin, der die Abrechnungen beaufsichtigte, hatte nach Bekanntwerden des Skandals seinen Rücktritt angekündigt - es war der erste Rücktritt eines "Speakers" seit mehr als 300 Jahren. Am Mittwoch räumte er wegen des Spesenmissbrauchs endgültig seinen Stuhl. Kommenden Montag soll ein Nachfolger gewählt werden. Finanzminister Alistair Darling und der inzwischen zurückgetretene Verkehrsminister Geoff Hoon zählen zu den prominentesten Politikern, die falsche Abrechnungen zurückzahlen wollten.
Die Labour-Politikerin Ussher erklärte in ihrem Rücktrittsschreiben, sie habe sich nichts zuschulden kommen lassen, wolle aber Premierminister Gordon Brown und seiner Regierung keine Probleme verursachen. Medienberichten zufolge ließ sich Ussher ihr Haus auf Staatskosten im Umfang von 20.000 Euro renovieren. Brown nahm den Rücktritt an. Wie sein Büro am Mittwochabend mitteilte, wird die bisherige Staatssekretärin für das Schulwesen, Sarah McCarthy-Fry, Usshers Nachfolgerin. Im Zuge des Spesenskandals waren zuvor bereits elf Regierungsmitglieder zurückgetreten.
Brown mächtig unter Druck
Der Spesenskandal hatte eine Regierungskrise ausgelöst, obwohl außer Labour- auch zahlreiche Tory-Politiker in die Affäre verwickelt sind. Premierminister Gordon Brown bildete nach einer Rücktrittswelle von Ministern und Staatssekretären schließlich sein Kabinett um. Mehr als 50 Abgeordnete kündigten zudem freiwillig an, auf eine Wiederwahl verzichten zu wollen, einige wurden von den Parteigremien ausgeschlossen.
Browns Labour-Partei stürzte in den Umfragen der vergangenen Wochen weiter ab und lag zuletzt bei einem Wert von 27 Prozent. Obwohl auch die oppositionelle Konservative Partei von David Cameron von dem Spesenskandal betroffen ist, steht sie mit 39 Prozent wesentlich besser dar. Spätestens Mitte 2010 sind Parlamentswahlen fällig.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP