Verwandtenaffäre in Bayern Staatskanzlei kannte umstrittene Job-Praxis
22.05.2013, 00:14 Uhr
Ministerpräsident Seehofer will erst durch die Medien von den "Amigo-Jobs" erfahren haben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bayerns Ministerpräsident Seehofer gerät unter immer stärkeren Druck. Schon 2009 erfährt das engste Umfeld des CSU-Politikers davon, dass Parteikollegen enge Verwandte beschäftigen. Erreichte die Information Seehofer?
Die Verwandtenaffäre in Bayern erreicht die Staatskanzlei. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" hat die Regierungszentrale unter Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mindestens seit Sommer 2009 von den umstrittenen Familienjobs bei Landtagsabgeordneten Kenntnis gehabt. Damals hatte der Ältestenrat des Landtags in einer Sitzung am 8. Juli zuletzt die Richtlinien bestätigt, wonach Abgeordnete etwa Ehepartner und Kinder weiter beschäftigen dürfen, wenn die Arbeitsverträge vor dem 1. Dezember 2000 abgeschlossen wurden. Unterlagen zufolge, die der "Süddeutschen Zeitung" vorliegen, hatte der damalige Chef der Staatskanzlei, Siegfried Schneider (CSU), an dieser Sitzung teilgenommen. Damit war Seehofers engstes Umfeld über die zweifelhafte Job-Praxis früh informiert.
Jedoch bestreiten sowohl Schneider als auch die Staatskanzlei, dass der Ministerpräsident darüber unterrichtet worden sei. Schneider sagte, er habe "keine Veranlassung" gesehen, Informationen über die Jobpraxis an Seehofer weiterzugeben. "Soweit ich mich erinnern kann, war das kein Tagesordnungspunkt, der strittig diskutiert worden ist. Es war auch kein Themenkomplex, der die Staatsregierung betroffen hat. Ich habe dann auch keinen informiert". Ein Sprecher der Staatskanzlei ergänzte, es gebe über die Sitzung einen Vermerk. Darin sei die Beschäftigungspraxis jedoch nicht erwähnt. "Nach unserer Kenntnis hat der Ministerpräsident das nicht erfahren."
Chef der Staatskanzlei beschäftigte Ehefrau
Schneider war in besonderer Weise für das Thema Verwandtenjobs sensibilisiert. Er hatte selbst als Abgeordneter bis Ende 2005 seine Ehefrau bei sich beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete, als er ins Kabinett berufen wurde. Der Chef der Staatskanzlei gehört zu Seehofers wichtigsten Mitarbeitern.
Die Frage, seit wann Seehofer von den Familienjobs weiß, ist von großer politischer Bedeutung. In den vergangenen Tagen hat Seehofer wiederholt versichert, er habe erst durch die Berichterstattung der vergangenen Wochen davon erfahren. Journalisten der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hatte er sogar vor einer Woche "Bösartigkeit" unterstellt und mit Konsequenzen gedroht, weil sie in einem Bericht die Frage aufgeworfen hatten, wie es sein könne, dass der Regierungschef und CSU-Vorsitzende keinerlei Kenntnis über die in seiner Partei weit verbreitete Praxis hatte, Familienangehörige zu beschäftigen.
Für die Opposition ist Schneiders Anwesenheit bei der Sitzung ein Beleg dafür, dass Seehofer "maßgeblicher Teil der Krise" sei. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Es scheint wenig glaubwürdig, dass Seehofer vom CSU-Familienclan nichts gewusst haben will. Seehofer spielt den Ahnungslosen, dabei ist er mittendrin statt nur dabei."
Quelle: ntv.de, ieh