Politik

Polit-Drama Staatskrise in Belgien

In Belgien hat sich die Krise um die Regierungsbildung durch eine brisante Abstimmung im Parlament zugespitzt. Die flämische Mehrheit setzte im Innenausschuss trotz des Protests der frankophonen Abgeordneten die Teilung des Wahlkreises Brüssel-Halle-Vilvoorde entlang seiner Sprachgrenzen durch.

Etwa 120.00 bis 150.000 Französisch sprechende Wähler, die im künftigen flämischen Teil der Region wohnen, können damit nicht länger für Parteien ihrer Sprachgemeinde stimmen. Die frankophonen Parteien erklärten daraufhin die Verhandlungen über eine neue Regierung für unterbrochen.

An den harten Fronten zwischen Flamen und Wallonen innerhalb der konservativen und liberalen Parteien hakt bisher die Bildung einer Koalition. 150 Tage nach der Wahl haben sich damit die Aussichten für den Verhandlungsführer Yves Leterme verschlechtert, ein Regierungsbündnis aus den vier flämischen und frankophonen Parteien zu schmieden. Der flämische Christdemokrat würde neuer Regierungschef werden.

Erstmals in der Geschichte Belgiens stimmte mit der Entscheidung die flämische politische Mehrheit die frankophone Minderheit nieder. Die Französisch sprechenden Abgeordneten verließen vor dem Votum unter hämischen Abschiedsgrüßen der Vertreter der rechtsextremen flämischen Partei Vlaams Belang den Saal. Experten hatten im Vorfeld gewarnt, eine Mehrheitsentscheidung gegen die Frankophonen käme einer Kriegserklärung gleich, die die Koalitionsverhandlungen zum Platzen bringen könnte.

"Eine Ohrfeige"

"Diese Abstimmung ist eine Ohrfeige für mehr als vier Millionen Frankophone", erklärten die frankophonen Christdemokraten. Damit werde bewusst das grundlegende Recht unterdrückt, die Repräsentanten der eigenen Sprachgemeinde zu wählen. Doch Didier Reynders, der jetzige Finanzminister und Verhandlungsführer der frankophonen Liberalen, wollte sich nicht festlegen, ob die Regierungsbildung gescheitert ist. Vor der Abstimmung hatte er allerdings gewarnt: "Ich kann nicht in einem Land leben mit einem Votum der einen Gemeinschaft gegen die andere." Die flämischen Christdemokraten erklärten, aus ihrer Sicht könnte Leterme die Verhandlungen weiterführen.

In Belgien gibt es von jeder politischen Richtung eine frankophone Partei für die Französisch sprechenden Bürger und eine flämische Partei für die Niederländisch sprechenden. Brüssel-Halle-Vilvoorde, bestehend aus der mehrheitlich frankophonen Hauptstadt und dem flämischen Umland, ist der einzige Wahlkreis, in dem die Bürger für Listen beider Sprachfamilien stimmen können. Das ist den Parteien der Flamen ein Dorn im Auge, die mit 60 Prozent die Bevölkerungsmehrheit ausmachen.

Die Koalitionsverhandlungen ziehen sich bereits so lange hin wie nie zuvor, weil die Flamen mehr Autonomie für die Regionen in der Haushaltspolitik fordern. Die Französisch sprechenden Wallonen lehnen das ab, weil damit weniger Geld aus dem wohlhabenden Flamen in die ärmere Wallonie fließen würde.

Quelle: ntv.de

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