Linker Kontrolleur wird kontrolliert "Stasi werden Sie von mir nicht hören"
25.01.2012, 13:14 Uhr
"Ich glaube, dass Angst vor uns gemacht werden soll", sagt der Abgeordnete Bockhahn.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Linken-Abgeordnete Steffen Bockhahn sitzt in einem Bundestagsgremium, das die Geheimdienste kontrollieren soll. Er steht auch auf einer Liste von 27 Abgeordneten, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. "Ich gehe davon aus, dass das Bundesamt für den Verfassungsschutz sehr triftige Gründe hat, mich zu beobachten", sagt Bockhahn n-tv.de. "Alles andere würde bedeuten, dass der Verfassungsschutz sich nicht an das geltende Recht hält."
n-tv.de: Wie finden Sie es, dass auch Sie auf der Liste der 27 überwachten Linken-Abgeordneten stehen?

Steffen Bockhahn ist Landesvorsitzender der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern. Im Bundestag vertritt er seine Fraktion im sogenannten Vertrauensgremium nach § 10 der Bundeshaushaltsordnung. Die Mitglieder dieses Gremiums kontrollieren die Wirtschaftspläne der deutschen Geheimdienste.
(Foto: picture alliance / dpa)
Steffen Bockhahn: Das macht mich nicht weiter betroffen, das ist auch nur ein Punkt unter vielen anderen. Ich gehe davon aus, dass das Bundesamt für den Verfassungsschutz sehr triftige Gründe hat, mich zu beobachten. Alles andere würde bedeuten, dass der Verfassungsschutz sich nicht an das geltende Recht hält. Die entscheidende Frage ist aber, welche Idee dahinter steht, die Linke zu überwachen. Da geht es nicht so sehr um die 27 Bundestagsabgeordneten, sondern um die Frage, was man mit der Partei machen will, indem man sie überwacht. Ich glaube, dass einfach Angst vor uns gemacht werden soll, dass man uns in eine zwielichtige Ecke stellen will. Das ist das eigentliche Problem.
Was für triftige Gründe könnten das aus Sicht des Verfassungsschutzes sein?
Wenn ich die kennen würde, dürfte ich sie Ihnen nicht verraten - die Mitglieder des Vertrauensgremiums sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Ich darf Ihnen so viel sagen: Mir konnten bisher keine Gründe genannt werden, warum es Sinn machen soll, mich oder meine 26 Kollegen zu überwachen.
Sie dürften mir nicht einmal sagen, ob Sie die Liste gesehen haben?
Wenn die Medienberichte stimmen und eine solche Liste dem Vertrauensgremium vorliegt, dann können Sie davon ausgehen, dass ich die auch gesehen habe.
Man hört von Ihnen gar keinen Vergleich mit Stasi-Methoden.
Den werden Sie von mir auch nicht hören, denn es gibt natürlich einen qualitativen Unterschied. In der Bundesrepublik gibt es die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste, und die gab es beim DDR-Ministerium für Staatssicherheit zweifelsfrei nicht. Inwieweit Parlamentarier die Geheimdienste tatsächlich kontrollieren können, ist eine offene Frage, zu der man unterschiedlicher Ansicht sein kann. Aber es ist doch ein sehr wesentlicher Unterschied, auf den ich gern in aller Deutlichkeit hinweise.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat versichert, dass die Linke vom Bundesamt für Verfassungsschutz nicht geheimdienstlich überwacht, sondern nur beobachtet wird. Glauben Sie das?
Laut "Spiegel" werden folgende Abgeordnete derLinkspartei vom Verfassungsschutz beobachtet:
Fraktionsvize DietmarBartsch; der Rentenpolitiker MatthiasW. Birkwald; die friedenspolitische Sprecherin Christine Buchholz; SteffenBockhahn, Mitglied im Haushaltsausschuss und im Vertrauensgremium nach § 10;die Vorsitzende des Umweltausschusses EvaBulling-Schröter; die Gesundheitspolitikerin Martina Bunge; Roland Claus,Mitglied im Haushaltsausschuss; der europapolitische Sprecher Diether Dehm; die ParlamentarischeGeschäftsführerin Dagmar Enkelmann;der Außenpolitiker Wolfgang Gehrcke ;die Bildungspolitikerin Nicole Gohlke;Fraktionschef Gregor Gysi; Ulla Jelpke, Mitglied des Innenausschusses;Parteivize Katja Kipping, Vorsitzendedes Ausschusses für Arbeit und Soziales; HaraldKoch, Finanzausschuss; Jan Korte,Innenausschuss; Katrin Kunert, Sportausschuss;Michael Leutert, Haushaltsausschuss;die gewerkschaftspolitische Sprecherin UllaLötzer; Parteichefin Gesine Lötzsch;die Parlamentarische Geschäftsführerin DorothéeMenzner; Petra Pau, Vizepräsidentindes Deutschen Bundestages; Paul Schäfer,Mitglied des Verteidigungsausschusses; IljaSeifert, behinderten- und tourismuspolitischer Sprecher; Kersten Steinke, Vorsitzende des Petitionsausschusses;Fraktionsvize Sahra Wagenknecht;Parteivize Halina Wawzyniak,stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses.
Das Bundesamt für den Verfassungsschutz hat erklärt, dass es keine nachrichtendienstlichen Mittel anwende. Mir fehlt der Gegenbeweis, deshalb werde ich das auch nicht behaupten. Es kann allerdings sein, dass Bundestagsabgeordnete von einzelnen Länderdiensten mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht werden. Theoretisch dürfte das aber keine flächendeckende Erscheinung sein.
In Niedersachsen würden Abgeordnete der Linken auch mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht, hat der Präsident des dortigen Landesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Werner Wargel, gesagt.
Was die Länderdienste machen, liegt allein in der Verantwortung der Länder. Das macht übrigens wieder einmal ein Problem deutlich: Der Bund und die Länder arbeiten komplett parallel. Dass der niedersächsische Verfassungsschutz unter dem Rechtsaußen Schünemann geheimdienstliche Mittel anwendet, überrascht mich gar nicht.
Sie meinen den niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann.
Das größere Problem ist für mich nicht der Umgang mit den Abgeordneten, denn die können sich wehren. Aber was ist mit den vielen Parteimitgliedern, die nicht sicher sein können, ob sie für die Wahrnehmung ihres grundgesetzlich verbrieften Rechts, sich politisch zu engagieren, bespitzelt werden?
Ihre Fraktion hat bereits vor einigen Jahren Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen die Beobachtung einiger Abgeordneter durch den Verfassungsschutz eingereicht. Damals waren Sie noch nicht im Bundestag. Deckt diese Klage Ihren Fall ab?
Davon gehe ich aus. Wobei wir und noch mal in Ruhe anschauen müssen, inwieweit bei Petra Pau und mir eine Besonderheit besteht, da wir vom Deutschen Bundestag mit Kanzlermehrheit in unsere Funktionen gewählt wurden - Petra Pau ins Amt der Bundestagsvizepräsidentin, ich als Vertreter meiner Fraktion ins Vertrauensgremium.
Kanzlermehrheit?
Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags wird man nur mit der Mehrheit der gewählten Abgeordneten, also mit der Kanzlermehrheit. Gleiches gilt für die Mitglieder der Gremien, die die Geheimdienste kontrollieren. Wenn das Bundesamt für den Verfassungsschutz trotzdem meint, uns überwachen zu müssen, dann wirft das Fragen auf.
Wie empfinden Sie das Verhalten von Kollegen aus anderen Fraktionen?
Ich habe den Eindruck, dass es vielen sauer aufstößt, dass das Bundesamt für den Verfassungsschutz willkürlich, wahllos und flächendeckend eine demokratisch gewählte Opposition auskundschaftet. Viele fragen sich, ob die ihren Auftrag verstanden haben. Natürlich gibt es auch die Hardliner in der Union, die der Auffassung sind, dass das alles noch viel zu wenig ist und dass man uns idealerweise gleich verbieten sollte. Aber ich bin geneigt, mir eher die Frage zu stellen, ob die das Grundgesetz verstanden haben, als mir die Frage zu stellen, ob ich es verstanden habe.
Mit Steffen Bockhahn sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de