BdV-Stiftung Steinbach vertreibt Schoeps
18.09.2010, 08:50 Uhr
Steinbach hatte ihre Kritik an Bartoszewski zunächst wiederholt.
(Foto: dapd)
Vertriebenenpräsidenten Steinbach hat ein Einsehen. Ihre Bemerkungen über den polnischen Deutschland Beauftragten Bartoszewski und dessen vermeintlichen "schlechten Charakter" seien aus vielerlei Gründen verkehrt. Der Historiker Schoeps zieht sich derweil aus der Stiftung gegen Vertreibungen zurück.
Nach dem neuerlichen Eklat um die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU) hat der Historiker Julius Schoeps seinen Rückzug aus dem Beirat des Zentrums gegen Vertreibungen angekündigt. Schoeps ist Leiter des Moses Mendelssohn Zentrums für Europäisch-Jüdische Studien an der Universität Potsdam. "Die Arbeit der 'Stiftung gegen Vertreibungen' gerät zunehmend in schiefes Licht", sagte Schoeps dem "Handelsblatt".
Die Stiftung gegen Vertreibungen ist eine Gründung des Bundes der Vertriebenen und hat nichts mit der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" zu tun, die eine Gründung von Bundesregierung und Bundestag und Beteiligung des BdV ist.
Absetzbewegungen gibt es allerdings auch aus der Bundes-Stiftung. Äußerungen zweier stellvertretender Mitglieder des Stiftungsrats hatten den Zentralrat der Juden Anfang der Woche dazu veranlasst, seine Mitgliedschaft ruhen zu lassen. Die Äußerungen waren als Schuldzuschreibung an Polen für den Beginn des Zweiten Weltkriegs verstanden worden. Als Steinbach die beiden BdV-Funktionäre in einer Sitzung der Unionsfraktion verteidigte, löste sie einen Eklat aus. Daraufhin kündigte sie ihren Rückzug aus dem CDU-Bundesvorstand an.
"Ich möchte mit dem Projekt nichts mehr zu tun haben"

Bartoszewski - hier vor einem Bild des Lagers Auschwitz - ist außenpolitischer Berater des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Anfänglich habe er die Gründung der Stiftung unterstützt, doch nun fühle er sich durch die Einlassungen Steinbachs hintergangen, sagte Schoeps. "Ich möchte mit dem Projekt nichts mehr zu tun haben und verlange von der Liste der Unterstützer gestrichen zu werden", sagte der Historiker. Steinbach hatte dem polnischen Deutschland-Beauftragten und einstigen Außenminister Wladyslaw Bartoszewski am Donnerstag einen "schlechten Charakter" bescheinigt und damit den zweiten Eklat in Serie ausgelöst.
Schoeps sagte dazu, die Einlassungen der CDU-Abgeordneten seien nicht hilfreich. "Es ist zwar zutreffend, dass Frau Steinbach schweren Attacken aus Polen ausgesetzt war, das rechtfertigt aber nicht die persönlichen Angriffe auf den polnischen Auschwitz-Überlebenden Wladyslaw Bartoszewski."
Steinbach rudert zurück
Die BdV-Chefin hat ihre inzwischen zurückgenommen. "Ich bedaure meine Äußerungen über Herrn Bartoszewski, die in Polen und Deutschland für so viel Aufsehen gesorgt haben und ziehe sie zurück", sagte Steinbach der "Bild am Sonntag".
Ihren Angriff auf den 88-jährigen früheren polnischen Außenminister begründete Steinbach mit aufgestauten Emotionen: "Oft wurde ich in den letzten Jahren gefragt, warum ich mich gegen seine Angriffe nicht wehre. Die Tatsache, dass Bartoszewski ein besonders schlimmes Schicksal unter den Nationalsozialisten erlitten hat und seine Leistungen für das deutsch-polnische Miteinander ließ mich alles hinnehmen. In der vorigen Woche hat sich das bei mir - eher ungewollt - Luft verschafft. Das war aus vielerlei Gründen verkehrt."
Steinbach war wegen ihrer Äußerungen unter Druck geraten. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) forderte sie zum Verzicht auf ihr Mandat auf. Steinbachs abfällige Äußerungen über Bartoszewski seien eine "Widerlichkeit" und ein "Skandal, wie ich ihn in internationalen Beziehungen sonst nur von Rechtsradikalen kenne", sagte Beck.
Westerwelle mahnt zur Mäßigung
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mahnte zur Mäßigung im Umgang mit Polen. Das Verhältnis beider Länder sei "immer noch empfindlich". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht jedoch keine Gefahr einer neuen diplomatischen Krise mit dem Nachbarland: Zwischen beiden Ländern herrsche ein sehr "freundliches, freundschaftliches, gutes Verhältnis, das durch Einzeläußerungen mit Sicherheit nicht ernsthaft zu trüben ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
In einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bedauerte die CDU-Vorsitzende Merkel, dass Steinbach den CDU-Vorstand verlassen will. Sie trat dem von Steinbach vermittelten Eindruck entgegen, man dürfe in der CDU seine Meinung nicht frei äußern. "Jedes Mitglied kann sich mit seiner Persönlichkeit in unserer Partei voll entfalten." Auch aus dem Bund der Vertriebenen gab es Kritik an Steinbachs Äußerung.
Quelle: ntv.de, ghö/hvo/AFP/dpa