Politik

Machbares und Wünschenswertes Steuer-Hick-Hack in Berlin

Die schwarz-gelbe Koalition startet mit neuen Angriffen ins neue Jahr: Vor allem CSU und FDP attackieren sich gegenseitig - die Liberalen reagieren äußerst dünnhäutig und lassen die Koalition mit ihren ständigen Forderungen nach Steuersenkungen nicht zur Ruhe kommen. Die Union reagiert entnervt.

Dauerthema Steuersenkung: FDP-Fraktionschefin Homburger legt noch einmal nach.

Dauerthema Steuersenkung: FDP-Fraktionschefin Homburger legt noch einmal nach.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die schwarz-gelbe Koalition beginnt das neue Jahr im Dauerstreit: Die Liberalen pochen auf ihre Forderung nach massiven Steuersenkungen und heizen damit den koalitionsinternen Streit weiter an. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stellt weitere Steuerreformen unter Finanzierungsvorbehalt. Ob die Steuerentlastungen das geplante Volumen von 24 Milliarden Euro haben würden, hänge von der Steuerschätzung im Mai und der wirtschaftlichen Entwicklung ab, sagte sein Sprecher Michael Offer in Berlin. Außerdem müssten die Schuldenbremse im Grundgesetz und der europäische Stabilitätspakt berücksichtigt werden. "In diesem Umfeld versuchen wir, die Ziele in dem Koalitionsvertrag nach bestem Wissen und Gewissen zu realisieren."

FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger hielt dem in der "Stuttgarter Zeitung" entgegen, maßgeblich sei nicht die Steuerschätzung sondern der Koalitionsvertrag. Union und FDP hätten in Kenntnis der aktuellen Wirtschafts- und Finanzlage vereinbart, dass es 2011 weitere Entlastungen geben solle. "Deswegen sehe ich keinen Grund, daran zu rütteln", fügte sie hinzu.

Dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz müssten weitere Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung folgen. "Wir haben im Koalitionsvertrag nur das beschlossen, was finanzierbar und verantwortbar ist. Daher wird auch der zweite Schritt kommen." Homburger reagierte damit auf Kritik von CSU-Chef Horst Seehofer, der die FDP-Spitze davor gewarnt hatte, überzogene Steuersenkungen zu versprechen.

Fordert ein Ende des Oppositionsdenkens: CDU-Politiker Bosbach.

Fordert ein Ende des Oppositionsdenkens: CDU-Politiker Bosbach.

(Foto: AP)

Höhere Steuern oder Abgaben zur Gegenfinanzierung einer großen Steuerreform schloss die Fraktionschefin zugleich aus. "Es macht keinen Sinn, den Leuten aus der einen Tasche das Geld herauszuziehen und es ihnen in die andere Tasche wieder hineinzustecken. Höhere Steuern oder Abgaben kommen für uns nicht in Frage", sagte sie der "Passauer Neuen Presse". "Wir werden für 2011 einen Haushalt vorlegen, der die geplanten Entlastungen und neue Schwerpunktsetzungen enthält und gleichzeitig die Schuldenbremse einhält."

Union ermahnt FDP

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach rief dagegen die FDP auf, keine Steuerversprechungen zu machen, die nicht zu halten seien. "Sprüche helfen uns nicht weiter", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Der Start der schwarz-gelben Koalition sei schon holprig genug gewesen. "Wenn wir so weiter machen, wird die Fahrt nicht ruhiger werden." Die FDP erlebe derzeit die Konfrontation mit der Wirklichkeit. "Es ist eben ein fundamentaler Unterschied, ob man in der Opposition ist und der eigenen Klientel munter Versprechungen machen kann, oder ob man in der Regierung sitzt und das Machbare vom Wünschenswerten unterscheiden muss."

Die Union möchte zudem durch eine Abgabe auf Börsenumsätze die Risikobereitschaft an den Finanzmärkten reduzieren. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verlangte von der FDP, ihren Widerstand gegen eine international abgestimmte Finanztransaktionssteuer aufzugeben. "Auch die Liberalen können sich nicht dem verschließen, dass wir Lehren aus der Finanzkrise ziehen müssen und entsprechende Veränderungen vornehmen." Es könne nicht sein, dass die Kosten der Krise vollständig von der Allgemeinheit getragen werden müssten. Die FDP lehnt eine Transaktionssteuer ab, weil sie unter anderem befürchtet, dass auch Kleinanleger dadurch belastet würden

Derweil verteidigte Homburger ihren Parteichef Westerwelle gegen Kritik aus der CSU und warf ihrerseits deren Generalsekretär Dobrindt Konzeptionslosigkeit vor. Seine Aussagen seien "ein Ablenkungsversuch von seiner eigenen Konzeptionslosigkeit". Westerwelle hatte kürzlich gesagt, falls die internationale Afghanistan-Konferenz in London eine reine Truppenstellerkonferenz werden sollte, werde er nicht hinfahren. Daraufhin hatte Dobrindt dem "Spiegel" gesagt, wenn Westerwelle Ende Januar nicht nach London reisen wolle, müsse eben Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) alleine für Deutschland verhandeln und angefügt: "Mal schau'n, ob es auffällt."

Schuld sind die anderen

Für die andauernden Unstimmigkeiten innerhalb der schwarz-gelben Regierung machte Homburger vor allem ihre Koalitionspartner verantwortlich: "Es gibt leider den einen oder anderen, der immer noch meint, den Koalitionsvertrag in Frage stellen zu müssen. Das ist kontraproduktiv." Die Außendarstellung der Arbeit der Koalition müsse verbessert werden.

Auch ihre Parteikollegin, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, rief die Koalition zu mehr Einigkeit auf. Die bayerische FDP-Vorsitzende sagte im Bayerischen Rundfunk: "Es geht jetzt darum, dass nicht solche gegenseitigen, auch unberechtigten Vorwürfe das Bild der Koalition prägen. Sondern dass ganz klar ist, dass diese Koalition in diesem Jahr diese großen Herausforderungen gemeinsam auch schrittweise richtig angeht."

Natürlich sei der Koalitionsvertrag die Basis der gemeinsamen Arbeit, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Aber es überzeuge Bürgerinnen und Bürger nicht, wenn jeden Tag nur Einzelaspekte diskutiert würden. Die Koalition müsse in diesem Jahr ein Konzept zur Steuerpolitik erarbeiten.

"Schwierige Situation"

Die Forderung aus der CSU nach einem Vizekanzler-Posten ist für Leutheusser-Schnarrenberger eine "typische Debatte vor Kreuth und auch ein Zeichen der Verunsicherung" der Christsozialen. In der Verfassung seien die Posten von Kanzler und Stellvertreter verankert, und die CSU habe keine Änderung des Grundgesetzes gefordert. Die CSU befindet sich nach Leutheusser-Schnarrenbergers Worten in "einer schwierigen Situation", weil sie merke, dass die Zeit absoluter Mehrheiten in Bayern vorbei sei und die Partei nicht mehr so viel Einfluss habe wie früher.

Der Koalitionsstreit über den steuerpolitischen Kurs und das Erscheinungsbild von Schwarz-Gelb war am Wochenende - vor dem Dreikönigstreffen der FDP am Mittwoch und der Klausur der CSU- Landesgruppe in Wildbad Kreuth - noch heftiger geworden.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts

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