"Kleine Kommission" Steuerstreit-Klärung ab Mai
14.01.2010, 19:07 UhrDie von Bundeskanzlerin Merkel ausdrücklich unterstützte Steuerreform - "möglichst 2011" - stößt bei mehreren CDU-Ministerpräsidenten weiter auf Widerstand. Anders als die Liberalen stellt die Union den Umfang unter einen Finanzierungsvorbehalt. FDP-Vizechef Pinkwart zeigt sich bereit, die Entlastungen erst ein Jahr später in Kraft zu setzen, allerdings nur in vollem Umfang und nicht schrittweise.

Andreas Pinkwart kann sich vorstellen, die Steuerentlastungen um ein Jahr zu verschieben, aber dann muss alles "in einem Rutsch" kommen.
(Foto: dpa)
Union und FDP wollen ihren wochenlangen öffentlichen Streit um eine Steuerreform in geordnete Bahnen lenken. Umfang und Zeitpunkt des Umbaus des Steuersystems und der bis 20 Milliarden Euro geplanten zusätzlichen Entlastungen sollen erst nach der Steuerschätzung im Mai und damit auch erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen geklärt werden. Dafür kündigte CDU-Vize Christian Wulff eine eigene Kommission an.
Auch aus der FDP hieß es, die Steuerschätzung im Mai werde abgewartet. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte sich zuvor im "Handelsblatt" erstmals seit dem Jahreswechsel zu der heftigen koalitionsinternen Debatte zu Wort gemeldet und sich klar zu dem Ziel weitreichender Entlastungen und Vereinfachungen bei der Einkommensteuer möglichst schon 2011 bekannt. Es bleibe beim Koalitionsvertrag.
"Kleine Kommission" nach Steuerschätzung
Wulff betonte zum Auftakt der CDU-Vorstandsklausur in Berlin, es müssten insbesondere auch die Interessen der Länder und Kommunen berücksichtigt werden. Man habe sich darauf verständigt, die Schätzung zur Grundlage für eine "kleine Kommission" zu nehmen. "Die muss dann die Struktur, das Entlastungsvolumen, den Zeitplan miteinander besprechen", betonte er.
Bei der Debatte über die Entlastungen müssten alle Ebenen, vor allem die Länder und Kreise, ernst genommen werden. "Denn es müssen alle verkraften können, was dort vorgesehen ist", betonte er. Notwendig sei ein Dreiklang aus Entlastungen, Zukunftsinvestitionen und Konsolidierung der Haushalte. Dafür gebe es Rückhalt in der Bevölkerung.
Laut dem Entwurf zur "Berliner Erklärung", den die Parteispitze am Freitag offiziell verabschieden will, bekennt sich die Union zu einer Steuerstrukturreform im Jahr 2011 "mit dem Ziel der Vereinfachung und Entlastung".
Kompromiss-Signale aus der FDP
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart zeigte sich bereit, die Milliarden-Entlastungen erst 2012 in Kraft zu setzen. Er betonte aber, dass die angestrebten Steuersenkungen bis zum Jahr 2013 voll wirken müssten. Eine Stufenlösung mit mehreren Reformschritten, wie sie Teile der Union vorschlagen, lehnt Pinkwart ab: "Wir wollen die Sache in einem Rutsch haben."
Pinkwart erinnerte daran, dass die FDP in den Koalitionsverhandlungen den Termin 2012 für die Steuerreform mit einem Stufentarif vorgeschlagen hatte. Die CSU habe auf 2011 bestanden. Wenn die Union jetzt die Reform ein Jahr später in Kraft setzen wolle, sei das auch in Ordnung. Der Vize-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen forderte die Union auf, nicht immer wieder mit neuen Vorschlägen den Koalitionsvertrag infrage zu stellen: "Wir erwarten Vertragstreue."
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hingegen hatte dafür plädiert, die Steuersenkungen zeitlich zu strecken. Er habe den Eindruck, dass auch in der FDP der Zusammenhang zwischen Entlastungsplänen und Finanzierbarkeit gesehen werde, und setze nun auf einen "Neustart in der Steuerdebatte", sagte Rüttgers dem Hamburger Magazin "Stern". Auch Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer bleibt dagegen bei seiner Skepsis und sagte kurz vor der Klausurtagung der CDU-Spitze in Berlin, eine Steuersenkung im Umfang der bislang geplanten 20 Milliarden Euro könne er sich "gegenwärtig nicht vorstellen".
CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich bekräftigte den Willen seiner Partei zu Steuerentlastungen, ließ Zeitpunkt und Umfang aber erneut offen. "Dass wir Steuersenkungen im Rahmen der Möglichkeiten wollen, ist unbestritten", sagte Friedrich am Rande der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth. Man sei sich aber in der Koalition "noch nicht ganz einig, wie groß die Möglichkeiten sein werden" und in welchem Zeitrahmen man die angestrebten Steuerentlastungen tatsächlich realisieren könne.
FDP und Wirtschaft zufrieden mit Merkel

Kanzlerin und CDU-Chefin war dem Juniorpartner FDP gegen die Unionskritik zur Seite gesprungen.
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Merkel hatte Kritik aus CDU und CSU am Auftreten der FDP in der Steuerdebatte zurückgewiesen. Man könne die FDP nicht dafür kritisieren, dass sie das erkläre, was sie vor der Wahl versprochen habe. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger sagte der "Frankfurter Rundschau" dazu: "Das klare Bekenntnis von Bundeskanzlerin Merkel unterstreicht die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages." Mit Blick auf die kritischen Äußerungen von CDU-Ministerpräsidenten zu den geplanten Steuersenkungen sagte Homburger, sie sei "immer davon ausgegangen, dass Union und FDP gemeinsam die Steuerstrukturreform auf den Weg bringen".
Auch bei der Wirtschaft stößt das Festhalten Merkels an einer Steuerreform auf Zustimmung. Es sei gut, dass Merkel versuche, "die Diskussion dafür wieder zu öffnen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, im DeutschlandRadio Kultur. Neben Steuersenkungen forderte er zugleich eine deutliche Vereinfachung des deutschen Steuersystems.
DIHK-Geschäftsführer Wansleben sagte, die Steuerschätzung im Mai werde von einigen Politikern als Drohkulisse benutzt. "Aber in Wahrheit ist es ja so, dass wir im Mai feststellen werden, dass die Konjunktur besser läuft, als wir noch im Herbst letzten Jahres erwartet haben."
Schäuble will Personalkosten einfrieren
Unterdessen geht aus einem bekanntgewordenen Brief von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an seine Ministerkollegen hervor, dass er die Personalkosten des Bundes einfrieren will. Schäuble will die Verwaltungsausgaben des Bundes ab dem kommenden Jahr bis 2014 höchstens auf dem Niveau von 2009 halten. "Für finanzielle Belastungen aufgrund von Tarif- und Besoldungsrunden wird ab 2011 keine Vorsorge im Bundeshaushalt getroffen", heißt es in dem Rundschreiben zur Haushaltsaufstellung.
Werden also bei Tarifverhandlungen Gehaltssteigerungen für die Bediensteten des Bundes ab dem kommenden Jahr vereinbart, müssten diese nach Schäubles Vorstellungen etwa durch Stellenabbau ausgeglichen werden. Insgesamt müsse in den nächsten sechs Jahren eine strukturelle Lücke im Bundeshaushalt von 60 Milliarden Euro geschlossen werden. Nur dann könne die neue Schuldenbremse eingehalten werden.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP