Politik

Abstriche an EU-Verfassung Stoiber siehts anders als Merkel

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sieht keine Chance auf eine vollständige Rettung der EU-Verfassung. Auf der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth setzte der CSU-Vorsitzende damit in einer für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zentralen Frage einen anderen Akzent als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Merkel hatte in der Vergangenheit bislang stets betont, ihr gehe es darum, dass die EU-Verfassung in ihrem vorliegenden Entwurf im Wesentlichen in Kraft tritt. Abstriche von einzelnen Teilen hatte sie von vornherein nicht vorgenommen.

In Wildbad Kreuth sprach sich Stoiber dafür aus, den nach den Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden 2005 vorerst gescheiterten Verfassungsentwurf nur in Teilen weiter zu verfolgen. Er glaube, dass eine zusätzliche Übertragung von Kompetenzen an die EU-Kommission - wie es noch der Entwurf vorsah - keine Chance auf Zustimmung in einzelnen Mitgliedsstaaten habe.

"Ich bin darüber nicht unglücklich", fügte der CSU-Vorsitzende hinzu. Besonders die Übertragung von Kompetenzen in der Sozialpolitik auf die EU-Kommission sei auch seiner Sicht "ein Riesenproblem". Merkel will während der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 vor allem eine Verständigung erreichen, wie in der EU die Diskussion über den Verfassungsvertrag fortgesetzt werden soll. Ihr Ziel ist, dass die neue Verfassung 2009 in Kraft tritt.

Britische Konservative: Verfassungsentwurf ist tot

Auf der Klausurtagung wurde auch deutlich, dass die Verfassungsbefürworter mit einer harten Gegenwehr aus Großbritannien rechnen müssen, falls es dort zu einem Regierungswechsel zu den Konservativen kommt. Der Chef der britischen Konservativen, David Cameron, bezeichnete den Verfassungsvertrag als tot. "Auch kein überzeugender Prediger könnte ihn zum Leben erwecken." Seine Partei würde einem Verfassungsvertrag nie zustimmen. Allenfalls Änderungen der bestehenden Regelungen über die Kompetenzen der EU-Organe würde er mittragen.

Nach Stoibers Ansicht ist eine Reform der europäischen Institutionen notwendig, wie sie der Verfassungsvertrag auch vorgesehen hat. Außerdem müsste die europäische Grundrechtecharta umgesetzt werden. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sprach sich nochmals gegen eine nochmalige Erweiterung der EU aus. Nach der Aufnahme Kroatiens in die EU müsse es ein "langes Moratorium" geben.

In diesem Punkt gingen die Meinungen der CSU und der britischen Konservativen auseinander. Diese befürworten wie auch der britische Premierminister Tony Blair von der Labour-Partei weitere Aufnahmen in die Staatengemeinschaft.

CSU gegen Reformstopp

Die CSU-Landesgruppe sprach sich in Wildbad Kreuth gegen einen Stopp der Reformen durch die große Koalition aus. Ramsauer sagte in einer Zwischenbilanz, es sei nicht zielführend, "den Weg der Reformen abzubrechen". Er spielte damit auf die Aussage von SPD-Chef Kurt Beck an, der dafür plädiert hatte, keine weiteren Reformen über die bereits begonnenen hinaus mehr anzupacken.

Stoiber erklärte, er rechne mit einer endgültigen Einigung im Gesundheitsstreit erst Ende Januar. Auf der Sitzung des Koalitionsausschusses an diesem Mittwoch in Berlin würden noch nicht alle offenen Punkte abschließend geklärt werden können. Ende Januar werde nach weiteren Beratungen der Koalitionsausschuss dann nochmals zusammenkommen, um die Reform endgültig zu beschließen. Er sei "durchaus zuversichtlich", dass dies zu diesem Zeitpunkt gelingen werde.

CSU will Abkehr vom Atomausstieg

Wegen des Streits um Öllieferungen aus Russland will die CSU einen neuen Vorstoß für längere Laufzeiten bei deutschen Atomkraftwerken unternehmen. Trotz des Widerstandes des Koalitionspartners SPD müsse noch einmal darüber gesprochen werden, ob der noch unter Rot-Grün vereinbarte Ausstieg aus der Kernenergie weiterhin vertretbar sei, forderte Stoiber auf der Klausur. Der Atomausstieg treffe auch die sichersten Kraftwerke im Land.

Spitzenvertreter von CDU und CSU fordern immer wieder eine Abkehr vom Atomausstieg. Kanzlerin Merkel hatte angesichts des russischen Lieferstopps erklärt, Deutschland müsse in seiner Energiepolitik auf einen "umfangreichen und ausgewogenen Energiemix" setzen. Dabei müsse auch bedacht werden, welche Folgen es habe, aus der Nutzung der Atomenergie auszusteigen. In der Vergangenheit hatte die Kanzlerin unter Hinweis auf die ablehnende Haltung des Koalitionspartners SPD die Debatte um eine Abkehr vom Atomausstieg wiederholt für beendet erklärt.

Stoiber betonte, Deutschland dürfe nicht zu stark in eine einseitige Abhängigkeit von Russland geraten, selbst wenn Russland sicherlich seine Verpflichtungen gegenüber Europa und Deutschland einhalten wolle. Auch Ramsauer unterstrich, Deutschland müsse sich wieder stärker zu einem Standort entwickeln, der selbst Energie produziere und nicht überwiegend importiere. "Wir müssen versuchen, mit der Kernkraft zumindest eine Brückenfunktion zu verwirklichen, bis wir einen vernünftigen, verantwortbaren Energiemix haben." Hier spielten die erneuerbaren Energien eine besondere Rolle. Der unter der rot-grünen Vorgängerregierung beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie sei verantwortungslos und müsse zumindest auf eine längere Zeitachse gestreckt werden.

Nach dem Beschluss zum Atomausstieg soll um das Jahr 2020 herum das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen.

Quelle: ntv.de

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