Politik

Politischer Aschermittwoch Stoibers großer Abgang

Nur einen Monat nach dem dramatischen Sturz Edmund Stoibers hat die CSU ihrem scheidenden Parteichef einen triumphalen letzten Aschermittwochs-Auftritt in Passau bereitet. Bayerns Ministerpräsident rief seine Partei in einer Marathon-Rede zum Ende von "Egoismus und Disziplinlosigkeit" sowie zu einer auch künftig konservativen Ausrichtung auf. Dafür feierten ihn 6000 CSU-Anhänger mit Ovationen und einem zwölfminütigem Schlussbeifall. Die Opposition forderte hingegen bei ihren Veranstaltungen zum Politischen Aschermittwoch, bei den bayerischen Landtagswahlen in anderthalb Jahren die Alleinherrschaft der CSU zu brechen.

Soziale Kompetenz

Bundespolitisch wurden an diesem Tag deutliche Unterschiede zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Kurt Beck deutlich. Merkel trat in Demmin in Vorpommern am Abend für eine Fortsetzung des Reformkurses ein und lehnte die SPD-Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen strikt ab. Beck hatte hingegen zuvor im niederbayerischen Vilshofen angekündigt, die SPD werde die soziale Gerechtigkeit wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Gegen die Angriffe Stoibers verteidigte Merkel die Familienpolitik ihrer Ministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Stoiber feiert sich selbst

In seiner knapp dreistündigen Rede zog Stoiber, der vor vier Wochen von starken Kräften in der CSU zur Aufgabe seiner Ämter im September getrieben worden war, eine positive Bilanz seiner fast 14-jährigen Regierungszeit. Der interne Streit in der Partei "muss aufhören", wenn die CSU nicht ihre einmalige Stellung verspielen wolle. Der Parteichef versuchte den Eindruck zu vermitteln, dass er nach dem Parteitag Ende September ohne Groll aus seinen Ämtern scheiden werde. Er habe immer nach vorn geblickt. Während Stoiber und seine Ehefrau Karin gefeiert wurden, musste sich die Fürther Landrätin und Stoiber-Kritikerin Gabriele Pauli zum Empfang ein Pfeifkonzert und "Pauli raus"-Sprechchören anhören.

Lobgesang auf Huber

In der Frage seiner Nachfolge als CSU-Vorsitzender ergriff Stoiber nicht direkt Partei für einen der beiden Bewerber, seinen Wirtschaftsminister Erwin Huber und Bundesagrarminister Horst Seehofer. Indirekt ließ er aber Sympathien für Huber erkennen: Die lange gemeinsame Zeit in der bayerischen Regierung habe Huber die Kraft und Erfahrung gegeben, die er "morgen und übermorgen noch brauchen wird", sagte Stoiber. Huber hatte zuvor seine Ambitionen unterstrichen.

Nicht die Show stehlen

Seehofer verteidigte seine Abwesenheit in Passau. Es sei in der CSU-Spitze vereinbart worden, Stoibers Auftritt ins Zentrum des Treffens zu rücken, sagte Seehofer am Abend im nordrhein-westfälischen Krefeld bei einer CDU-Veranstaltung. "Das hat er verdient. Ich wollte das nicht durch meine Anwesenheit beeinträchtigen", so Seehofer, der neuer CSU-Chef werden will. Außerdem habe er schon vor Monaten einen Auftritt bei der Schwesterpartei CDU am Niederrhein versprochen. "Gelassenheit ist nicht Mutlosigkeit", sagte Seehofer. Mit ihm sei immer zu rechnen.

Noch viel zu tun

Alle Parteien schärften auf den Aschermittwochs-Veranstaltungen ihr Profil. Beck kritisierte die Auswüchse des Kapitalismus. Deutschland trage mit seinem derzeitigen Vorsitz der G8-Staatengruppe weltweit Verantwortung für gerechte Spielregeln. Merkel bezeichnete die CDU als "Partei der Vernunft" in der großen Koalition. Angesichts von immer noch vier Millionen Arbeitslosen müsse weitergearbeitet werden. "Wir haben unendlich viel zu tun."

Gegensätzliche Familienpolitik

Stoiber betonte an mehreren Stellen das konservative Profil der CSU. Mit Blick auf die Vorschläge von Familienministerin von der Leyen zum Ausbau der Krippenplätze warnte er die CDU davor, die Unterschiede zur SPD zu verwischen. Merkel sagte sechs Stunden später, von der Leyen habe ihre "volle Unterstützung". Durch den Ausbau der Krippenplätze werde überhaupt erst Wahlfreiheit für Frauen geschaffen.

Opposition reibt sich an der Regierung

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kritisierte ebenfalls in Passau die Politik der großen Koalition. An der Gesundheitsreform der großen Koalition in Berlin ließ er kein gutes Haar. Der frühere Grünen-Umweltminister Jürgen Trittin kritisierte dort die heutige Politik des früheren Koalitionspartners SPD. Er warf den Sozialdemokraten vor, in der großen Koalition unsoziale Politik zu betreiben. Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, konzentrierte sich auf den Machtkampf um Stoiber. Er würdigte die Rolle Paulis. Als tapfere Frau habe sie entscheidenden Anteil am angekündigten Rückzug Stoibers gehabt. "Ein Mann hätte sich das nie getraut."

Quelle: ntv.de

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