Aktuelle Stunde Streit um Atom-Panne
26.06.2008, 15:53 UhrAls Konsequenz aus den Pannen im Atommülllager Asse II fordert Bundesumweltminister Sigmar Gabriel einen langfristigen Sicherheitsnachweis. "Wir haben große Zweifel daran, dass da alle Fragen beantwortet sind", sagte Gabriel in einer Aktuellen Stunde im Bundestag. Deshalb sei eine Störfallanalyse notwendig. Die Grünen verlangten, den Ländern die Atomaufsicht zu entziehen. "In der Tat ist es absolut notwendig, die Aufsicht über die Atomkraftwerke und den Strahlenschutz den Ländern wegzunehmen", sagte Ex-Umweltminister und Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin. Gabriel lehnte eine Debatte über das Verfahren ab. Das Bundesumweltministerium habe sich bereits eingeschaltet.
"Atomrecht missbraucht"
Im Forschungsbergwerk bei Wolfenbüttel in Niedersachsen war radioaktiv verseuchte Lauge mit weit überschrittenen Grenzwerten entdeckt worden. Gabriel zweifelt die Zuverlässigkeit des Betreibers, dem Helmholtz Zentrum München, an und wirft ihm vor, ohne Genehmigung gehandelt zu haben. Asse war das weltweit erste unterirdische Lager für Atommüll. Dort wurde seit 1967 erprobt, wie radioaktiver Abfall auf Dauer sicher entsorgt werden kann. Wegen mangelhafter Kommunikation waren die Betreiber, das zuständige Landesbergamt und das niedersächsische Umweltministerium, unter Druck geraten. Nach Behördenangaben besteht keine Gefahr für die Bevölkerung.
Die Linksfraktion fordert, dem Helmholtz Zentrum die Genehmigung zu entziehen. Der Betreiber habe illegal Strahlenmüll eingelagert, das Atomrecht missbraucht und gemeinsam mit dem niedersächsischen Umweltministerium den Fall heruntergespielt, kritisierte der Abgeordnete Hans-Kurt Hill. Die Grünen warnten vor Folgen für die Bevölkerung. Die Vorstellung, dass radioaktives Trinkwasser spätestens nach 150 Jahren nicht mehr auszuschließen sei, "ist der reinste Horror", sagte die Umweltpolitikerin Sylvia Kotting-Uhl. "So kann man mit Atommüll nicht umgehen." Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) ist für das Helmholtz Zentrum verantwortlich.
Schließung steht bevor
Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) bekräftigte, dass ein Bericht über die Pannen geplant sei. Seine Behörde habe erst im Juni von einer zusätzlichen Strahlenbelastung erfahren. Gabriel schickt wegen der Pannen eine Expertengruppe nach Niedersachsen. Noch in diesem Jahr soll über ein Schließungskonzept für Asse II entschieden werden. Die Standsicherheit des Lagers ist derzeit nicht über 2014 hinaus gewährleistet.
Die Union verteidigte die Atomenergie. "Wir sind der festen Überzeugung, dass wir eine Laufzeitverlängerung der sichersten Kernkraftwerke in Europa, nämlich der deutschen Kernkraftwerke, benötigen, um sichere Energiepreise sicherzustellen und um dem Klimawandel gerecht zu werden", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla . "Wenn Sie sich mit Grünen unter vier Augen unterhalten, dann geben die mittlerweile sogar zu, dass dieser Ausstieg, so wie er damals von Rot-Grün vereinbart worden ist, unter den jetzigen Gegebenheiten falsch ist", fügte der CDU-Generalsekretär hinzu. In einem Strategiepapier vertritt die CDU die Auffassung, die Atomkraft sei auch für den Klimaschutz vorteilhaft.
"Irrweg beenden"
Wenn Atomenergie Ökoenergie sei, wäre das die erste Ökoenergie, die radioaktives Cäsium-137 an Umwelt und Trinkwasser abgeben kann, sagte Trittin. "Die radioaktive Salzlauge im Forschungsbergwerk Asse II beweist, dass wir den atompolitischen Irrweg eher schneller beenden müssen", erklärte auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Sie stellte klar: "Wir Grüne halten ohne Wenn und Aber an der Notwendigkeit des Atomausstiegs fest."
Quelle: ntv.de