Irak, Iran, Afghanistan Streit um US-Außenpolitik
16.07.2008, 17:40 UhrIn Washington schlug die Nachricht wie eine Bombe ein. "Dramatische Wende" in der US-Außenpolitik, meldete der TV-Sender CNN. Ein hochrangiger Vertreter des US-Außenministeriums nimmt in Genf an den Atomverhandlungen mit dem Iran teil. Offiziell zählt der Iran für die Regierung von George W. Bush zur "Achse des Bösen". Die Frage, ob es direkte Kontakte der USA mit dem Iran geben könnte, ist eine der außenpolitischen Streitpunkte zwischen den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain. Wird schon jetzt, ein halbes Jahr vor dem Abgang Bushs, eine erste "Korrektur" der Außenpolitik eingeleitet? Eines ist sicher: Der überraschende Schritt wird den Streit über die Außenpolitik im US-Wahlkampf weiter anheizen.
Erste Reaktionen auf die Nachricht klingen geradezu begeistert. "Die Nukleargespräche werden das fast 30-jährige Schweigen brechen", schwärmt die Zeitung "The Wall Street Journal". Schließlich ist es nicht irgendwer, der an dem Treffen mit den Iranern teilnimmt, sondern Staatssekretär William Burns, die "Nummer Drei" im State Department. Der "höchste diplomatische Kontakt" der USA mit dem Iran seit 1979, heißt es. Damals erlebten die USA mit der Besetzung ihrer Botschaft in Teheran einen Alptraum. 444 Tage lang wurden 52 Amerikaner als Geiseln gehalten; das Drama ist tief ins Bewusstsein der Amerikaner eingeschrieben.
Faktisch Obama unterstützt
"Die Wende kommt faktisch einer Unterstützung Obamas gleich", meint eine Wahlkampfexpertin bei CNN. Schließlich habe der schwarze Senator trotz scharfer Kritik immer wieder für direkte Gespräche auch auf höchster Ebene mit dem Iran geworben - sein Rivale McCain hatte solche Kontakte schlichtweg als "naiv" und einfältig verurteilt. Mit einem Paria-Staat verhandle man nicht. Obama machte in seiner jüngsten außenpolitischen Rede klar, er wolle alle Elemente der amerikanischen Macht nutzen, um Teheran unter Druck zu setzen - "beginnend mit aggressiver, auf Prinzipien basierender und direkter Diplomatie; Diplomatie gestützt durch starke Sanktionen und ohne Vorbedingungen".
Vor der Europa- und Nahostreise Obamas - die ihn am 24. Juli auch nach Berlin führen soll - ist Außen- und Sicherheitspolitik zum beherrschenden Wahlkampfthema geworden. Hier liegt immer noch die Achillesferse des 46-Jährigen. Nach einer Umfrage der TV-Senders ABC News und der Zeitung "Washington Post" halten 72 Prozent der Amerikaner McCain für einen guten Oberkommandierenden. Lediglich 48 Prozent würden das von Obama behaupten. Ein schweres Handicap für Obama.
Der außenpolitisch erfahrene McCain
"Ich weiß, wie man Kriege gewinnt", meint der selbstbewusste McCain immer wieder vor seinen Anhängern. Der 71-jährige Vietnamveteran, der als Bomberpilot im Vietnamkrieg abgeschossen wurde und jahrelang in Hanoi gefangen war, setzt sein Image als "Kriegsheld", der auch zur Härte und zum Durchhalten bereit ist, immer offener ein. Durchhalten müsse man auch im Irak - so seine Botschaft. So habe die Aufstockung der Truppen im Irak zu einer deutlichen Verbesserung der Sicherheitslage geführt. "Obama war gegen die Aufstockung", so der Tenor McCains. "Heute wissen wir, dass Senator Obama im Unrecht war."
Obama hält dagegen, es sei der Krieg im Irak, der von der Bekämpfung El Kaidas in Afghanistan abhalte. "Wir müssen Bin Laden gefangen nehmen oder töten." Für Obama ist es derzeit eines der wichtigsten Wahlkampfziele, ebenfalls Härte zu zeigen und das lästige Image des außenpolitisch Unerfahrenen abzustreifen.
Umfragen haben allerdings eine Überraschung an den Tag gebracht: Demnach sind die Amerikaner unentschieden, ob sie Obamas Irakstrategie eines raschen Truppenabzugs oder die Durchhalte- Politik McCains unterstützen sollen. Für Obama kommt es bei seiner Reise vor allem darauf an, außenpolitisch Statur zu gewinnen - auch deshalb hatte er die große Rede vor dem Brandenburger Tor halten wollen.
Peer Meinert, dpa
Quelle: ntv.de