Rücktritt Ypsilantis nach der Wahl Struck will neuen Fraktionschef
16.11.2008, 14:38 UhrWenige Tage vor Auflösung des Landtags wächst der Druck auf die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti. "Dass Thorsten Schäfer-Gümbel für den Fall, dass er nicht Ministerpräsident werden sollte, den Fraktionsvorsitz übernimmt, halte ich für ausgemacht", sagte der Fraktionschef der Bundes-SPD, Peter Struck, in einem Bericht der Zeitschrift "Super Illu". Der SPD-Abweichler Jürgen Walter forderte Ypsilanti auf, dem neuen Spitzenkandidaten Schäfer-Gümbel noch vor Mittwoch den Fraktionsvorsitz anzutragen. Nach Angaben des "Spiegel" will ein hessischer Ortsvereinschef sogar Ypsilantis Parteiausschluss beantragen.
Ypsilantis Aufgabe bis zu den Neuwahlen des Landtages am 18. Januar sieht Struck darin, "den Rückhalt, den sie in der hessischen SPD genießt, zu nutzen, um Schäfer-Gümbels Vertrauen in der Partei und in der Öffentlichkeit zu stärken". Ypsilantis Nachfolger als Ministerpräsidenten-Kandidat der hessischen SPD sei "ein ganz eigenständiger, selbstbewusster Mann, der beispielsweise wirtschaftspolitisch andere Akzente setzt", sagte Struck. "Ich bin überzeugt: Thorsten Schäfer-Gümbel wird trotz der schwierigen Ausgangsposition - noch nie hat ein Spitzenkandidat nur 69 Tage gehabt bis zur Landtagswahl - seine Sache wirklich ordentlich machen."
Walter will Rücktritt jetzt
Walter sagte unterdessen der "Frankfurter Rundschau", es wäre einfacher für Schäfer-Gümbel, "wenn Andrea Ypsilanti nicht so an ihren Ämtern kleben würde. Das würde seine Chancen erhöhen". Walter hatte gemeinsam mit drei weiteren Abweichlern die Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin einer von der Linkspartei geduldeten rot-grünen Minderheitsregierung verhindert. Weil Walter und zwei seiner Mitstreiterinnen ihr Nein erst einen Tag vor der Wahl ankündigten, sollen sie aus der SPD ausgeschlossen werden.
Eine der Abweichlerinnen, Silke Tesch, bekräftigte in dem Blatt, gegen ihren drohenden Ausschluss kämpfen zu wollen. "Sozialdemokratin sein ist eine Lebenseinstellung, ich werde um mein Parteibuch kämpfen bis zum Schluss." Die Abgeordnete Carmen Everts zeigte sich ebenfalls "fest entschlossen", ihr Parteibuch zu behalten. Walter sagte der Zeitung: "Es ist ein merkwürdiges Demokratieverständnis, wenn die Partei uns jetzt ausgrenzt." Sie hätten nur "ein Grundrecht von Abgeordneten in Anspruch genommen".
Ortsverein beantragt Ausschluss
Unterdessen kündigte der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Münchhausen in Nordhessen, Hans-Martin Seipp, an, einen Parteiausschluss Ypsilantis zu beantragen. "Ich bin es leid, dass die Basis nicht gehört wird", sagte Seipp dem "Spiegel". Viele SPD-Mitglieder hätten nicht mit Duldung der Linkspartei regieren und damit die "Wahllüge von Frau Ypsilanti" mittragen wollen. Seipps Ortsverein liegt im Wahlkreis von Silke Tesch.
Der geschäftsführende Ministerpräsident Roland Koch zollte den Abweichlern seinen "größten Respekt". Er habe in Deutschland nicht viele Menschen kennengelernt, die aus einer grundsätzlichen Überlegung heraus ihre berufliche und wirtschaftliche Existenz aufs Spiel setzten, sagte Koch im Deutschlandfunk.
Schäfe-Gümbel verteidigt Vorgehen
SPD-Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel hat dagegen das harte Vorgehen seiner Partei gegen die Abweichler verteidigt. "Es geht nicht um einen Rachefeldzug", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Aus vielen Ortsvereinen seien aber Parteiordnungsverfahren beantragt worden. Diese seien wie ein Gerichtsverfahren ergebnisoffen. "In der SPD können nach wie vor unterschiedliche Meinungen vorgetragen werden", betonte Schäfer-Gümbel.
Der hessische Landtag soll am Mittwoch aufgelöst werden. Am 18. Januar könnten dann Neuwahlen stattfinden. "Im Kern hat sich in Hessen nichts geändert", sagte der Landeschef der Grünen, Tarek Al-Wazir, auf dem Grünen-Parteitag in Erfurt. Die Mehrheit wolle einen Politikwechsel. "Wir als hessische Grüne müssen bei dieser Landtagswahl so stark werden, dass an unseren Inhalten niemand mehr vorbeikommt".
Quelle: ntv.de